
Ein optisches, ästhetisches Gesamtkunstwerk zu schaffen, war immer schon seine Maxime: Deshalb zeichnet Stefano Poda bei seinen Arbeiten nie nur für die reine Inszenierung, sondern stets auch für Bühnenbild, Kostüme, Licht und Choreographie verantwortlich. So auch diesmal bei den Opernfestspielen von Verona, wo derzeit gleich zwei Produktionen des italienischen Regisseurs gezeigt werden: Die diesjährige Neuproduktion von „Nabucco“ wie auch die Wiederaufnahme der „Aida“ aus 2023, beides von Giuseppe Verdi.
Zwei riesige, bewegliche Halbkugeln aus Gitter dominieren bei „Nabucco“ die Bühne: Zwei Pole, die sich ständig abstoßen und anziehen. Sie symbolisieren nicht nur Polarität zwischen Juden und Babyloniern sondern auch zwischen Spiritualität und Rationalität sowie zwischen Glaube und Vernunft. In der Mitte befindet sich eine lange, schmale, unterschiedlich beleuchtete Treppe, die unterschiedlich beleuchtet und beschritten wird. Zeitlos stilisiert sind die Kostüme der Protagonisten, futuristisch jene der Krieger mit leuchtenden Rüstungen. Zudem wird im zweiten Finale eine lautstarke, atomare Explosion mit Spezialeffekten dargestellt. Leider macht dann ein Gewitter trotz langem Warten auf eine etwaige Wetterbesserung dem Ganzen ein Ende.
Gesungen wird bis dahin sehr gut: Der viel beschäftigte Amartushvin Enkhbat ist ein prägnanter und präsenter Titelheld, der glaubhaft auch die geistigen Verwirrungen des Königs über die Rampe bringt. Über die richtige „Arena-Röhre“ verfügt die kraftvolle und höhensichere Anna Pirozzi als stets peitschenschwingende Abigaille. Sie verfügt aber auch über zarte Lyrismen. Francesco Meli ist ein schönstimmiger, schmelziger Ismaele, Roberto Tagliavini ein edeltimbrierter Hohenpriester Zaccaria, Vasilisa Berzhanskaya eine innige Fenena. Gut singt bis dahin auch der Chor der Arena, leider wetterbedingt ohne dem von vielen erwarteten, berühmten Gefangenenchor „Va pensiero!“.
„Altmeister“ Pinchas Steinberg gelingt es, Dynamik und Spannung im groß besetzten Orchester der Arena di Verona packend auszureizen.
Sie ist schon beeindruckend, diese gigantische, bewegliche Hand, die ihre Gitterfinger ausstrecken und zu einer Faust zusammenkrümmen kann, und die gewaltige Bühne der Arena dominiert. Und sie sendet immer wieder Laserstrahlen in verschiedenen Farben in den Nachthimmel, wo sie von einem silbernen, zeitweise über der Arena schwebenden Ballon reflektiert werden und teils eine Pyramide formen.
Stefano Podaweiß hier bei der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis „Aida“ mit ästhetischer Einheit und überwältigender Bildmacht trotz gleicher Stilmittel noch mehr zu beeindrucken: So huscht oder tanzt ein Schwarm von Personen, die sich wie bei „Nabucco“ immer wieder um die Hauptfiguren schmiegen. Auch hier: stilisierte, geschmackvolle Kostüme zuerst nur in Schwarz-Weiß, dann in Rot und beim Triumphmarsch, wie immer der optische Höhepunkt, in Silber. Auch weiß er fallweise die Steinstufen der Arena auszunützen mit Aufmärschen mit leuchtenden Speeren oder Flammenschwertern sowie eine Menge mit Skulpturen von ägyptischen Gottheiten und Fabelwesen zu platzieren.
Als Titelheldin besticht Maria-José Siri zwar mit dramatischer Attacke aber auch viel Tremolo. Gregory Kunde als etwas ältlich wirkender Radamés stößt anfänglich in der Höhe an seine Grenzen, besticht aber dann doch mit Kraft. Amartushvin Enkhbat Stimme ist auch hier wie geschaffen für die riesigen Dimensionen der Arena, er ist ein ungemein präsenter und kraftvoller Amonasro. Agnieszka Rehlis singt die Amneris wunderbar nuancenreich. Alexander Vinogradov ist ein etwas knorriger Ramfis. Solide hört man Simon Lim als König. Meist eines Sinnes mit dem Orchester singt der Chor sehr stimmgewaltig.
Der „Arena-Profi“ Daniel Oren hat die gewaltigen Dimensionen und die Akustik des römischen Theaters fest im Griff und lässt mit präzisen und weitausholenden Gesten mit vielen Abstufungen im Orchester der Arena di Verona aufregend musizieren.
In beiden Fällen großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
29. Juni 2025 | Drucken
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