Mozarts "Don Giovanni" in Graz: Eine reizüberflutete Spaßgesellschaft

Xl_don_giovanni-graz-2-20-1 © Werner Kmetitsch

Dieser Don Giovanni ist kein Edelmann. Etwas, das man heute ohnedies kaum noch erwarten darf. Aber warum er als ein, in einem derartigen Schlabberlook mit Kapuze gekleidetes, unscheinbares, teils herumschlurfendes Bürschchen ohne Noblesse gezeigt wird, dem dann die Frauen noch scharenweise nachlaufen, ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Dabei sind die Damen wiederum durchaus mit eleganten Roben (Su Sigmund) ausstaffiert. Auf jeden Fall ist bei der Neuproduktion von Wolfgang Amadeus Mozarts „Oper aller Opern“ am Grazer Opernhaus bei den Schickimicki-Typen hauptsächlich Spaß angesagt. Jeder und jede nimmt sich, was man braucht. In einem modernen, schicken, mehrstöckigen, weißen, verschachtelten Haus (Bühne: Annika Haller) hat jeder sein Zimmer und wird schon bei der Ouvertüre mit Riesenprojektionen am Haus vorgestellt. Nur: Die Projektionen, Giovanni hat ständig das Handy und filmt, dort sind auch alle seine Verflossenen bildlich dokumentiert, und das ständige Drehen der Bühne sorgen bald für eine Reizüberflutung. Vor allem, wenn bei den eigentlichen Ruhepolen der Oper, wie etwa bei der herrlichen Arie „Dalla sua pace“, Donna Anna sich in Strapsen, mit denen sie meistens herumläuft, lasziv in einer Riesenprojektion herumräkelt, wie sexistische Szenen sich überhaupt häufen: So übermedialisiert im Heute, nicht immer schlüssig und teils banal interpretiert die deutsche Regisseurin Elisabeth Stöppler Mozarts Meisterwerk. Wenig Dämonie hat auch die Schlussszene, bei der das Double des Komturs sich im ersten Stock aufhält während der Titelheld unten stehend einfach erschossen wird.

Musikalisch ist auch nicht alles eitle Wonne, denn qualitativ sehr unterschiedlich ist das Sängerensemble, bei dem vor allem zwei Herren hervorstechen: Markant hört man den wohlklingenden Bariton des Neven Crnić als Leporello mit der besten Leistung des Abends. Alexey Birkus ist ein zu wenig präsenter aber sehr kernig singender Titelheld. Pavel Petrov ist ein wohlklingender Don Ottavio, bliebt aber zu blass. Solide singen Dariusz Perczak (Masetto) mit Motorrad und Dmitrii Lebamba (Komtur) meist aus dem Off ohne Dämonie. Anna Brull ist eine Donna Elvira mit viel Power, Katerina Tretyakova singt die Donna Anna mit teils schrillen hohen Tönen. Eva-Maria Schmid hört man als Zerlina sehr sauber. Den Chor des Grazer Opernhauses (Einstudierung: Georgi Mladenov) singt tadellos.

Vor allem anfänglich schafft es Andrea Sanguineti, teils mit ziemlich unorthodoxer Schlagtechnik am Pult der Grazer Philharmoniker nicht immer mit den Sängern konform zu sein, was auch an den von ihm angeschlagenen, extrem forschen und schwer singbaren Tempi liegt. Entbehrlich erscheinen seine am Hammerklavier immer wieder fremden Zitate und bei einigen Arien am Klavier mitzuspielen. Man produziert aber immer wieder feinsinnige markante und dramatische Akzente!

Zum Schluss gab es großen Jubel im Publikum und keinerlei Widerspruch auch nicht für die Regie!

Dr. Helmut Christian Mayer

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