Moniuskos "Halka" am Theater an der Wien: Eine entdeckungswerte Rarität

Xl_halka-wien-12-19-2 © Monika Ritterhaus

Wenn sich ein Ausnahmesänger ungemein für die Aufführung einer speziellen Oper engagiert, diese regelrecht zu seiner Herzensangelegenheit wird und er auch bereit ist, dabei mitzuwirken, lässt sich ein Intendant nicht lange bitten, diese auf den Spielplan zu setzen: Die Rede ist von „Halka“ von Stanislaw Moniuszko, dessen 200. Geburtstag außerdem heuer gefeiert wird, und von Piotr Beczala, der sich für diese polnische Nationaloper eingesetzt hat sowie von Roland Geyer, der sie jetzt am Theater an der Wien in einer Koproduktion mit der polnischen Nationaloper dem Teatro Wielki in Warschau aufführen lässt.

Es ist die unglückliche Geschichte eines aus dem bäuerlichen, armen Milieu entstammenden Mädchens, eben Halka, die sich in den standesgemäß über ihr stehenden Janusz verliebt und von diesem schwängern lässt. Sie ignoriert dabei die Liebe ihres sie stets umsorgenden Jugendfreundes Jontek völlig. Allein Janusz wendet sich der reichen und schönen Zofia um sich mit ihr zu vermählen. Der Plot endet fatal: Halka verfällt in Wahnsinn und begeht Selbstmord.

Die Musik des polnischen Komponisten, der von 1819 bis 1872 lebte und hochverehrt starb, ist voll von slawischer Folklore, etwa polnischen Tänzen, aber auch Lyrismen wie auch romantischen Leitmotiven. Es ist eingängige Musik, die allerdings wahrscheinlich noch mehr Wirkung erzielen hätte könnte, wenn nicht der polnische Dirigent Lukasz Borowicz das ORF Radio Symphonieorchester Wien zu enormer Lautstärke animiert hätte, wodurch viele Feinheiten untergehen und es den Sängern nicht unbedingt leicht gemacht wird. Mehr unterschiedliche Nuancen wären notwendig, damit auch der wie immer wieder auch spielfreudige, sehr gute Arnold Schönberg-Chor besser zur Geltung kommen würde.

Allerdings ist bei der besuchten Aufführung von einer mittleren Sensation zu berichten. Denn anstelle der plötzlich erkrankten, amerikanischen Sopranistin Corinne Winters für die Titelheldin gelang es dem Theater an der Wien mit Ewa Vesin mehr als einen Ersatz zu schaffen. Das Glück war, dass die polnische Sopranistin die Rolle auch regiemäßig schon mehr als in den Ansätzen einstudiert hat, denn sie sollte die Partie im Februar in Warschau, wohin die Produktion dann wandert, singen. Sie singt die Halka von zartestem, innigen Piano bis zu den gewaltigen, dramatischen Ausbrüchen lupenrein. Darstellerisch zeigt sie eine geschundene Grenzgängerin zwischen den sozialen Welten. Piotr Beczala als ihr sie ständig umsorgender Jontek, dem die schönste Arie des Werkes „Die Tannen rauschen“ zugedacht ist, singt nicht nur diese mit viel Schmelz und tollen Höhen betörend schön. Der Wotan-erprobte Tomasz Konieczny als sich von Halka abwendender Janusz singt diesen mit ungetrübter Kraft aber vielen Nuancen und ist auch darstellerisch sehr gefordert. In den kleineren Partien hört man noch die exzellente Natalia Kawalek als Zofia sowie Alexey Tikhomirov als Brautvater.

Die Tragödie wird nicht im bäuerlichen, folkloristischen Ambiente des 19. Jahrhunderts belassen, wo sie laut Libretto spielen sollte, sondern von Regisseur Mariusz Trelinski kurzerhand in ein cooles, gläsernes Hotel der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts (Bühne: Boris Kudlicka) in ebensolchen Kostümen (Dorothée Roqueplo) verlegt. Hier arbeiten Halka als Stubenmädchen und Jontek als Kellner. Zofia ist die Tochter des Hoteldirektors. Alles ist in Schwarz-Weiß gehalten. Schon beim musikalischen Vorspiel ist die Polizei mit Taschenlampen und der Spurensicherung im Einsatz, um den Tod der Halka zu untersuchen. Mit überwiegend dunklen Lichtstimmungen, heftigem Regen an die Glasscheiben und dem Drehen der Drehbühne, wird eine thrillerartige Atmosphäre erzeugt und der Plot als Albtraum von Janusz gezeigt. Dieser muss immer wieder mehrmals die gleichen Situationen durchstehen und kann den Stress nicht einmal mehr mit viel Alkohol verkraften. Die Ideen und die Personenführung sind bestechend.

Zum Schluss brach das Publikum in großen Jubel aus, insbesondere für die Einspringerin!

dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading