Mercadantes „Francesca da Rimini“ bei den Tiroler Festspielen in Erl: Ausweglose Liebe

Xl_francesca-erl-12-22-4-xiomara_bender © Xiomara Bender

Trotz seiner hohen Anzahl von 58 Bühnenwerken (!) ist der Komponist Saverio Mercadante heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Und das, obwohl er die Gesangsvirtuosität in einen dramatischen Gesamtbogen einfügte und so eine Reform der italienischen Oper nach Rossini in Richtung Verdi anstieß und kompositorisch eine Art Bindeglied der beiden Komponisten wurde. Umso erfreulicher, dass die Tiroler Festspiele in Erl sich dieses italienischen Tonschöpfers, der von 1795 (in der Nähe von Bari) bis 1870 (in Neapel) lebte, annehmen und die Rarität „Francesca da Rimini“als österreichische Erstaufführung zeigen.

Neben ihm vertonten auch Ambroise Thomas (1882), Sergej Rachmaninow (1906)  und  Riccardo  Zandonai  (1914) das Musikdrama. Obwohl Mercandantes Oper nach dem Libretto von Felice Romani bereits 1830/31 fertiggestellt wurde, kam es zu Lebzeiten des Komponisten auf Grund verschiedener Umstände nicht zur Aufführung. Die Uraufführung folgte während des Festivals della Valle d'Itria in Martina Franca erst 2016.

Basierend auf einer Episode aus Dantes Divina Commedia“ (dem 5. Gesang des Inferno) erzählt sie uns über die fatale Liebe Francescas zu dem schönen Paolo, dem Bruder ihres missgestalteten Mannes, einem Treuebruch, der in einer unausweichlichen Katastrophe endet. Gezeigt wird dies in angedeutet historisierten Kostümen (Raphaela Rose) in einem gräulichen Einheitsraum mit einem dominanten Bett und einem Felsen mit faszinierenden, schattenartigen Lichtstimmungen. Nach Öffnen der Hinterwand wird der Teil eines ästhetischen, verfallenen Klosters (Bühne: Johannes Leiacker) gezeigt, für das er sich von einem Bild von Caspar David Friedrich inspirieren ließ. Ein starkes Schlussbild! Hans Walter Richter gelingt trotz mancher Statik und dramaturgischer Langatmigkeit sowie Handlungsarmut eine solide, psychologisch durchdachte Inszenierung und die dramatischen Szenen aufregend zu gestalten. Offenbar um mehr Bewegung zu erzeugen werden die Protagonisten immer wieder von Tänzern gedoubelt. Diese Alter Egos zeigen in einer gekonnten Choreografie von Gabriel Wanka ihre wahren Träume.

Sehr anspruchsvoll sind die Gesangspartien: Allen voran singt Karolina Makula die Hosenrolle des Paolo mit kraftvoller Emphase und großer Koloraturensicherheit. Anna Nekhames hört man als Francesca mit sehr leichtem aber klarem Sopran. Theo Lebow singt ihren Gatten Lanciotto mit großer Präsenz und Höhensicherheit. Tadellos erlebt man auch die kleineren Rollen und sehr homogen und spielfreudig auch den vielbeschäftigten Chor der Tiroler Festspiele.

Den wunderbaren Melodienreichtum und die meisterlich instrumentierte Partitur lässt Giuliano Carella am Pult des Orchesters der Tiroler Festspiele Erlin reichen Farben aufblühen. Er drückt auch immer aufs Tempo und kann viele packende Momente erzeugen.

Trotzdem bewirkt die vom Publikum bejubelte Oper, die ab Februar an der Oper Frankfurt gezeigt wird, mit einer Länge von dreieinhalb Stunden (inklusive einer Pause) eine gewisse dramaturgische Langatmigkeit, sodass ihr einige Striche gut getan hätten.

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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