
Eigentlich beginnt Gioachino Rossinis „Guillaume Tell“ am Linzer Landestheater, wo die Oper letztmalig vor 40 Jahren gezeigt wurde, recht traditionell und harmlos: Man sieht eine Art Glashaus mit einem die Bühne dominierenden, riesigen Baumstamm, Sonnenblumen in Beeten rundum, Bienenstöcke, ein buntes, fröhliches und auch tanzendes Schweizer Volk. Da scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Doch bald tauchen einzelne, seltsame, in weiße Schutzanzüge mit Kappen oder Masken gekleidete Wesen zuerst seitlich, dann auch im Zuschauerraum auf, bis plötzlich ein kalter und steriler Container seitlich die Glaswand durchbrechend hereingeschoben wird. Jetzt stürmen diese futuristisch aussehenden Wesen als Masse mit Kanistern und Sprühgeräten herein und bedrohen die Ansässigen. Mehrere Frauen werden herausgezerrt, gefesselt, es wird ihnen Blut abgezapft, einer wird ein blinkender Helm aufgesetzt, der sich bald zittern und zu Boden stürzen lässt. Der alte Melchthal will dagegen rebellieren, er wird mit einer Spritze in den Hals zum Schweigen gebracht, danach umgebracht, sein Hirn wird aufgeschnitten und freigelegt, wie man auf Bildschirmen im Container, wo auch andere MRT-Aufnahmen von Köpfen und künstlichen Menschen zu sehen sind. Offenbar sind dies die Eroberer der Schweiz, die Tyrannen, die Habsburger, hier eine Mischung aus medizinischem Personal und künstlichen Menschen oder gar Außerirdischen. Diese aktualisierte Inszenierungskonzeption hat sich Georg Schmiedleitner erdacht, die Bühne stammt von Harald B. Thor). Eine Idee, die sich nicht erschließt und sich natürlich in keinster Weise mit Text und Handlung deckt.
Hochstehend ist hingegen die musikalische Qualität der Produktion. Das Bruckner Orchester Linz unter dem souveränen Enrico Calesso weiß schon mit der populären Ouvertüre mit einer exzellenten Solocellistin aber auch sonst mit Transparenz, Leichtigkeit und reichen Nuancen zu faszinieren.
Beim Ensemble sticht vor allem SeungJick Kim mit seinem schönen, höhensicheren und kraftvollen Tenor als Arnold Melchthal heraus. Da kann der Titelheld nicht ganz mithalten, denn für Adam Kim ist die Rolle einfach zu tief und er neigt zum Forcieren. Als dessen Sohn Jemmy gefällt Fenja Lukas mit mühelosen Spitzentönen. Seine Frau Angela Simkin singt ihre Partie sehr fein. Dominik Nekel als einer der Schweizer Verschwörer sowie Michael Wagner als alter Melchthal gefallen mit ihren mächtigen Tönen. Gregorio Changhyun Yun ist ein blasser und viel zu wenig böser Gessler. Wegen einer Erkrankung, muss Camila Provenzale kurzfristig die Rolle der Mathilde übernehmen. Sie singt sie von der Seite, was ihr achtbar gelingt, während Katharina Glas diese szenisch etwas überzogen umsetzt. Auch die vielen kleineren Rolle singen gut. Exzellent ist die viel beschäftigte Chor und Extrachor des Linzer Landestheaters zu hören!
Viel Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
16. Juni 2025 | Drucken
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