Konzert aus der Scala: Gemäßigt moderne Töne präzise und frisch musiziert

Xl_scala-zeitgen_ssische_musik-glass-p_rt-reich-boccadoro-1-21-5 © Bildschirmfoto - Scala di Milano

Gemäßigt moderne Töne präzise und brillant musiziert

Ausschließlich zeitgenössische Musik, komponiert zum Ende des 20. oder im 21. Jahrhundert, war im zweiten Konzert des Orchestra del Teatro alla Scala angesagt, das aus dem Teatro alla Scala di Milano live gestreamt wurde. Wieder von der Bühnenperspektive aufgenommen mit Blick auf den goldenen Zuschauerraum des traditionsreichen Opernhauses Italiens. Und die im leeren Zuschauerraum mit weiten Abständen positionierten Musiker trugen alle, inklusive Dirigenten, bis auf die Bläser Masken.

Es war aber ein Programm in eher mäßig modernen Tonsprachen, dessen hochinformative Einführung uns der Komponist und Dirigent Carlo Boccadoro jeweils vor den Stücken präsentierte. Von ihm selbst erklang ein zehn Jahre altes Stück, inspiriert vom Titel eines Gedichtes „Come polvere o vento“ der Mailänder Dichterin Alda Merini. In drei kurzen Sätzen wurde darin von den Musikern die Atmosphäre einer Geisterstadt wie auch eines wild ausbrechenden Sturmes ungemein plastisch geschildert.

Inspiriert von Vivaldi und Strawinsky und ganz im Stile des Letzteren erlebte man zuvor noch das „Concertino per la notte Natale“ von Niccolò Castiglioni, sehr transparent, frisch und voller Ironie musiziert.

Von Minimalisten Philip Glass hörte man eine seiner ganz typischen Kompositionen: „Company“,komponiert für die Aufführung des Bühnenwerks von Samuel Beckett, das von einem reinen Streichorchester sehr ambitioniert und mit absolut präzise gespielten Repetitionen wiedergegeben wurde.

Mit Bruno Maderna folgte eine Schlüsselfigur der modernen italienischen Musik: Die „Serenata Nr. 2“, ein Meilenstein des Nachkriegsrepertoires. Dieser recht abstrakten Musik aber auch den vielen eingestreuten Lyrismen wurde das reine Streichorchester voll gerecht.

Von der Musiksprache wahrscheinlich am „modernsten“ wirkte „Corpo in controcanto“ des 1969 geborenen und vielfach preisausgezeichneten Mauro Montalbetti, der als einer der bedeutendsten italienischen Komponisten seiner Generation gilt. Auf dem gleichnamigen Gedicht von Flaviano Pisanelli beruhend, wurde die rigoros expressive Sprache in einem Dialog von einem Streichquartett mit einem Streichorchester sehr kontrastreich und mit den vielen gewünschten Überraschungen musiziert.

„Da pacem Domine“ von Arvo Pärt wusste dann das reine Streicherorchester mit warmer Ruhe, wie ein Gebet für den Frieden zu gestalten. Kein Wunder, ist das bloß vierminütige Stück auch den Opfern des Bombenanschlags auf den Zug in Madrid 2004 gewidmet.

Schließlich wurde das Konzert mit der italienischen Erstaufführung „Runner“, des heute 84-jährigen Minimalisten Steve Reich, seinem vorletzten und vor vier Jahren für das Ballett des Royal Opera House London komponierten Stück beschlossen. Hier faszinierten nicht nur die beiden im stets gleichbleibenden Rhythmus, fast wie Maschinen ganz exakt Akkorde spielenden Pianisten, sondern auch alle anderen sehr frisch und hochkonzentriert spielenden Musiker, des in zwei Ensemble geteilten Kammerorchesters. Besonders erwähnt sei auch, dass diese während des gesamten Abends auch immer wieder als exzellente Solisten in Erscheinung traten.

Dr. Helmut Christian Mayer

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