"Koma" von Georg Friedrich Haas am Stadttheater Klagenfurt: Dunkle Extremsituationen zwischen Leben und Tod

Xl_koma-klagenfurt-4-19-1 © Arnold Pöschl

Die Dunkelheit ist absolut. Nicht einmal ein Notlicht stört die Finsternis. Diese Dunkelheit ist die Welt der Michaela, die nach einem Schwimmunfall ins Wachkoma gefallen ist. Umgeben von Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal liegt sie im Krankenbett. Ihre Situation wird in „Koma“ aus ihrer Sicht geschildert. Das Libretto dafür stammt von Händel Klaus, die Musik von Georg Friedrich Haas. Die erfolgreiche Uraufführung fand 2016 in Schwetzingen statt, für Klagenfurt erstellte der Komponist nun eine definitive Fassung, in der auch das Krankenhauspersonal nicht mehr spricht, sondern singt. Für Tonschöpfer und Librettist ist es die dritte gemeinsame Oper, für den in Graz geborenen Komponisten schon die insgesamt achte.

Die absoluten dunklen Phasen der nahezu 2 Stunden dauernden Oper erstrecken sich bis zu 12 Minuten und sind genau vorgeschrieben. Daneben gibt es sogenannte Schattenrisse oder normales Bühnenlicht.Bei Licht kann man ein nüchternes, graues, teils gekacheltes Krankenzimmer (Bühne: Nicola Reichert) wahrnehmen, das auch immer wieder anlassbezogen mit starken, surrealen Videoprojektionen faszinierend verändert wird. Eine Handlung im herkömmlichen Sinne findet nicht statt, es ist eher eine Situationsbeschreibung, wenn Angehörige kaleidoskopartig von gemeinsamen Erlebnissen mit der Komapatienten erzählen, wenn die offensichtlich dominante, prügelnde Mutter als riesige Projektion und dann als stumme Erscheinung im Zimmer erscheint und Michaela zum heftigen Zittern bringt. Ein harter Stoff, bei dem Immo Karaman die Figuren trotz der Handlungsarmut ideenreich und präzise führt

Die absolute Dunkelheit schärft aber auch beim Zuhörer die akustischen Sinne und kann so intensiv der mikrotonalen Musik lauschen. Also einer Musik, in der das klassische Halbtonsystem aufgelöst ist und eine Abkehr von der wohltemperierten Skala stattfindet. Die Musik ist keine leichte Kost, sie ist wie die gesamte Geschichte schwer verdaulich, sie verstört, sie bohrt, sie schillert, sie ist brutal, sie ist auch bloße, filigrane Klangmalerei. Und es entstehen durchaus immer wieder magische Klänge. Sie bringt das Publikum in eine Grenzerfahrung und fordert es immens ebenso wie auch das Kärntner Sinfonieorchester, das mehr als eine Stunde in absoluter Dunkelheit ohne Anweisungen des Dirigenten Bas Wiegers, der bei Licht exzellent und präzise dirigiert, spielen muss. Die 24 Musiker meistern die Herausforderung bravourös, sie bewegen sich im Klang, hören intensiv aufeinander und tragen so eine wechselseitige Verantwortung.

Aber auch die Sänger bewältigen, wenn auch nicht immer textverständlich, die diffizilen Partien bravourös. Allen voran ist Ruth Weber eine famose Michaela, die in der absoluten Dunkelheit glasklare flexible Vokalismen vom Zuschauerraum aus von sich gibt. Sie sang die Partie schon in Schwetzingen ebenso wie Daniel Gloger. Er ist als Bariton als ihr Schwager Alexander und dann auch als Countertenor als Mutter zu hören. Ebenso gefallen der geschmeidige Stefan Zenkl als ihr Mann Michael sowie Bryony Dwyer mit sicheren, stratosphärischen Höhen als Ihre Schwester Jasmin sowie wie die kleineren Partien.

Allein, die dunklen Phasen kommen 36 Mal und wirken im Laufe des Abends inflationär, wie sich überhaupt nach spätestens 90 Minuten eine gewisse Langatmigkeit einschleicht, weil nichts mehr Neues geboten wird. Auch die permanenten Wortwiederholungen im Text wirken penetrant. Eine emotionale Sogwirkung stellt sich nicht ein, die gesamte Situation wirkt kalt und lieblos.

Immer wieder verlassen Zuhörer den Saal, die die bleiben, spenden viel Beifall!

Trotzdem eine mutige Großtat für ein so kleines Haus!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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