Janáček: Ein fantasiereiches „Schlaues Füchslein“ am Theater an der Wien

Xl_schlaues_fuechslein-wien-10-22-2 © Monika und Karl Forster

Er ist fast immer präsent. Schon vor Beginn sitzt er mit seinem hellen Anzug seitlich auf der Bühne und beobachtet neugierig das eintreffende Publikum. Es ist Leoš Janáček persönlich. Dann ergreift er die Initiative, läuft auf die Bühne und öffnet selbst den Vorhang. Der neue Intendant des Theaters an der Wien Stefan Herheim, der auch gleich bei seiner ersten Produktion inszeniert, lässt den Komponisten der Oper „Das schlaue Füchslein“ gleich selbst sein Werk betreten, ein Kunstgriff, den der norwegische Regisseur schon öfters als Stilmittel verwendet hat. Da das Stammhaus am Wiener Naschmarkt, das von Herheim in Musiktheater an der Wien umbenannt wurde, gerade umgebaut wird, findet die Premiere dieser Oper im Ausweichquartier in der Halle E des Museumsquartiers statt.

Herheim lässt Janáčeks Spätwerk, eine märchenhafte Abhandlung über den ewigen Kreislauf des Lebens, auf einer nüchternen Bühnenwerkstatt (Bühne: Silke Bauer) beginnen, wo am Bühnenbild und an den Kostümen noch gearbeitet wird. Eine dort zusammengebaute, riesige Libelle schwebt dann bald über den Köpfen der Protagonisten und jetzt stellt sich plötzlich Poesie und Fantasie ein. Alles beginnt sich zu bewegen, zu drehen, die Figuren sind wie immer bei Herheim sorgfältig geführt. Untrüglich ist sein Instinkt für Effekte und alles folgt immer dem Duktus der Musik. Es entsteht mit magischem Licht und drehbaren Kulissen, die auch zum Wald werden, ein richtiger Zauberraum, in dem in fantasievollen Kostümen von Doris Maria Aigner surreale Fantasien entstehen können. Und dann lässt er Janáček in verschiedene Rollen, wie Hahn, Mücke, Dackel, Specht und Schulmeister schlüpfen. Er wird von Ya-Chung Huang nicht nur ideal dargestellt, sondern auch mit hellem Tenor wunderbar gesungen. Und er wird auch zum Mann, der auf einer roten Mondsichel sitzt und auf sein Werk herabblickt und schließlich in einem Riesenherzen verschwindet, während Milan Siljanov als Förster gekonnt zu seiner arios-hymnischen Schwärmerei ansetzt.

Herheim erweckt aber auch berühmte Opernfiguren zum Leben wie Carmen, Desdemona, Violetta, Tosca, Brünnhilde, Turandot, Kleopatra mit den jeweiligen Partnern und viele mehr. Die Frauenfiguren werden jedoch alle ermordet. Und dann kommt ein Mähdrescher, dessen Haspel mit Noten bestückt ist und verschlingt sie alle. Das Märchen wird zum Horrortrip. Marcell Bakonyi, der impulsive Landstreicher Haraschta, baut sich aus diesen Überresten ein neues Objekt der Begierde. Heiter, ja ruhig und konventionell wird hingegen die Geschichte um das Füchslein erzählt. So changiert Herheim gekonnt zwischen Einfachheit und teils überbordenden Ideen.

Gesungen wird in tschechischer Originalsprache: Mélissa Petit verkörpert die Füchsin mit schönem, lyrischem Sopran. Jana Kurucová erlebt man als galanten, intensiven Fuchs. Lévente Páll singt den von Beziehungserinnerungen geplagten Pfarrer sehr präzise und nuancenreich. Die vielen kleineren Rollen sind durchaus adäquat besetzt. Ein Lob gilt auch dem spielfreudigen Arnold Schönberg Chor und den fantasiereich choreographierten Tänzerinnen und Tänzern (Beate Vollack), die vor allem das Zwischenspiel der "Pantomime" zu einem magischen Moment werden lassen.

Die Wiener Symphoniker werden unter der litauischen Dirigentin Giedre Šlekyte zu einer klanglich raffinierten, hochatmosphärischen Diktion animiert. Strahlend klingen die Streicher in den großen Zwischenspielen. Die kühnen harmonischen Verbindungen der kunstvoll gearbeiteten Partitur mit ihrer sensiblen Instrumentation und charakteristischen Rhythmik werden wunderbar farbig, nuancenreich, sängerfreundlich und mit schillernder Intensität verströmt.

Starker Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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