Graz: Hochkarätig besetzte „La traviata“ von Verdi auf der Schlossbergbühne

Xl_traviata-anduaga-chevalier-_kuro.simon-graz-8-25-2 © Kuro Simon

Ein hölzerner Sarg steht auf der Bühne: Alle Protagonisten stehen betroffen daneben, als die Ouvertüre anhebt. Da erhebt sich plötzlich eine Frau, es ist Violetta, in einer der vorderen Zuschauerreihen und geht auf die Bühne. Dort betrachtet sie liebevoll die Trauernden und streichelt sie: Erst jetzt beginnt das eigentliche Spiel. Nach „Fidelio“ 2020, „Tosca“, „Carmen“ und Richard Wagners „Ring“-Highlights kamen heuer die Giuseppe Verdi-Fans auf ihre Kosten, denn man führt die beliebte Oper „La traviata“ auf der Freiluftbühne der Kasematten auf dem Grazer Schlossberg auf.Dabei konnte sich das Publikum auch zum fünften Mal über ein Staraufgebot beim Sängerensemble erfreuen.

Vor allem auch deshalb, weil die Titelheldin mit Nicole Chevalier ideal besetzt ist: Mit perfekten Koloraturen, aus dem Nichts kommenden, herrlichen Piani und reichen Schattierungen vermag sie intensive Gefühle, vor allem zum Finale über die Rampe zu bringen. „Addio, del passato bei sogni ridenti..“ (Lebt wohl, glückliche Träume vergangener Tage…): Violettas Abschied von der Vergangenheit, vom Leben wurde von Verdi in ergreifenden Gesang gegossen. Diese Arie wird von ihr, mit berührender Innigkeit gestaltet. Auch vermag sie spielerisch ungemein berühren, insbesondere wenn sie zum Finale wieder in den Zuschauerraum auf ihren Platz zurückklettert und dort tot zusammenbricht, dann erzeugt das Gänsehautfeeling.

Als ihr geliebter Alfredo kann der steil aufsteigende erst 29-jährige spanische Tenor Xabier Anduaga, kurzfristig für Josep Calleja eingesprungen, begeistern. Er singt ihn mit ungefährdeten Höhen und viel Schmelz und kann uns mit seinem schlanken, lyrischen Tenor auch mächtig berühren. Thomas Hampson besticht als sein Vater Giorgio Germont mit seinem kraftvollen Bariton, enormer Bühnenpräsenz und Routine. Die Jahre sind jedoch nicht spurlos an ihm vorübergegangen und seine Stimme hat leichte Verschleißerscheinungen, er schleift auch manchmal die Töne an und wirkt etwas unbeteiligt. Die vielen kleinen Partien sind vornehmlich mit Ensemblemitgliedern des Grazer Opernhauses alle gut besetzt,bei denen besonders Neira Muhić als Flora Bervoix hervorsticht. Tadellos singen auch die Mitglieder des Grazer Opernchors.

Die Mitglieder der Grazer Philharmoniker unter Marcus Merkel am Pult musizieren routiniert. Der deutsche Dirigent lässt auch viele Nuancen in Dynamik und Farben von Verdis eingängiger und populärer Melodik hören, aber teilweise beschränkt er sich allzu sehr auf das Begleiten und das Zusammenhalten und reizt dabei etwas zu wenig die Spannung aus.   

Bei dieser semi-konzertanten Aufführung sorgt einmal mehr Elisabeth Thym für die passende szenische Einrichtung. Es wird in einer minimalistischen Ausstattung mit einigen Holzkisten (Ausstattung: Isabell Toccafondi), die als Sitzgelegenheiten, Tisch oder Bett dienen, intensiv und glaubwürdig agiert.

Stehende Ovationen!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading