Graz: Beethovens "Fidelio" in einem ehemaligen Gefängnis

Xl_fidelio-graz-8-20-1 © Photowerk

Als Gefängnis für Schwerverbrecher für die gesamte Monarchie wurden die Kasematten auf dem Grazer Schlossberg im 18. Jahrhundert genutzt. Somit war es durchaus naheliegend Ludwig van BeethovensFidelio“ an der, in der Zwischenkriegszeit zu einer Bühne umgewandelten Örtlichkeit“, jetzt wiederaufzuführen. Der Verein „Junge Konzerte in Graz“ in Kooperation mit den „Grazer Spielstätten“ machten dies möglich. Auch zur Eröffnung der Bühne 1937 und auch zwischen durch immer wieder und zuletzt 1997 kam die Freiheitsoper hier zur Aufführung. Diesmal konnte man in diesem passenden, stimmungsvollen Rahmen mit einigen großen Namen von Opernsängern aufwarten, was darauf zurückzuführen war, dass diese auf Grund von vielen Corona bedingten Absagen verfügbar waren.

Allen voran kam es bei dieser konzertanten, pausenlosen Produktion, bei der die heute üblicherweise gespielte, dritte Fassung aus 1814 zu erleben war, ohne die seit Gustav Mahler eingefügte Leonoren-Ouvertüre III und fast ohne Dialoge, zu einem bemerkenswerten Rollendebüt: Sir Bryn Terfel, weltweit gefeierter Falstaff, Wotan, Holländer und Scarpia sang den Pizarro. „Ha! Welch‘ ein Augenblick!“: Schon vom ersten Ton an ließ er den Bösewicht mit großer Präsenz zum Fürchten heraushängen. Wie der walisische Star-Bassbariton die Rolle darstellerisch mimisch und sängerisch sowie spielfreudig anlegte, war einzigartig: Dämonisch, kraftvoll, ja wuchtig und füllig schön sang er aber nie derb. Eingesprungen für Peter Seiffert, der kurzfristig absagte, war Roberto Saccà: Er zeigte Metall, Höhe und heldisches Aplomb als Florestan. Der junge Slowake Peter Kellner, derzeit Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, war erstklassig. Er gab dem Rocco ein glaubwürdiges, exzellentes Profil mit enormer Wortdeutlichkeit. Er nützte die breite Bühne auch darstellerisch gelungen aus, sodass die Aufführung schon semi-konzertant wurde. Der junge Mario Lerchenberger gefiel als schönstimmiger Jacquino, Neven Crenic machte bei seinem Kurzauftritt als Minister Don Fernando eine sehr kultivierte Figur. Der ehemalige Welttenor Reiner Goldberg konnte noch 81-jährig zeigen, dass er den ersten Gefangenen draufhat. Narine Yeghiyans Marzelline war jugendlich frisch und solide.

Ausgerechnet Barbara Krieger in der Titelpartie fiel stark ab: Sie sang völlig unverständlich, ja mulmig, diffus und wirkte stimmlich zu zurückhaltend. Ihr dunkler Sopran klang stumpf und glanzlos mit Höhen- und Intonationsproblemen. Homogen und stimmgewaltig erlebte man Mitglieder des Grazer Opernchores, besonders berührend beim Gefangenenchor, die teils mit und teils ohne Maske sangen. Unter Marcus Merkel erklangen die zahlenmäßig reduzierten Grazer Philharmoniker recht solide, man war aber nicht immer eines Sinnes. Im weiteren Verlauf gelang es, die Spannung zu steigern und spätestens ab der Kerkerszene packende Wirkungen zu erzielen.Und als die Fanfare der Solotrompete, im Rücken des Publikums positioniert, die rettende Ankunft des Ministers meldete, verspürten wohl viele einen wohlig-feierlichen Schauer.

Zum Schluss gab es großen Jubel für die Protagonisten.

Dr. Helmut Christian Mayer

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