Georges Bizets „Die Perlenfischer“ an der Oper Graz: Stimmenglanz aber wenig szenische Ideen

Xl_perlenfischer-graz-werner_kmetitsch-12-21-2 © Werner Kmetitsch

„Au fond du temple saint…“–„Aus der Tiefe des heiligen Tempels… Es ist die Göttin, die uns vereint“: Edel und schön sind die Worte des populären Freundschaftsduett aus den „Perlenfischern“. Es sind Worte, mit denen die beiden Jugendfreunde von der Insel Ceylon ihre Liebe zur gleichen Frau bekennen. Aber auch Worte, mit denen sie schwören, ihrer Freundschaft zuliebe auf sie zu verzichten. Georges Bizet hat sie in eine wunderbar einfühlsame, anrührende Melodie geformt, die leitmotivartig immer wiederholt, zu einem echten Hit wurde.

Aber damit sie ihre Wirkung erzielt, bedarf es exzellenter Stimmen. Dem Opernhaus Graz, wo die im Gegensatz zu seinem populären Musikdrama „Carmen“, die frühe und eher selten am Spielplan stehende Oper des französischen Komponisten (die Uraufführung 1863 in Paris war kein Erfolg) aufgeführt wird, gelingt dies mit kleinen Einschränkungen: Denn Tenor Andzrej Lambert ist ein regelrechter Glücksfall für die Rolle des Nadir. Er verfügt über ein wunderbares, lyrisches Timbre mit weichem Schmelz, sicherer Höhe und feiner Pianokultur. Präsent, kraftvoll und mit weichem Bariton, allerdings mit kleinen Intonationsproblemen zu Beginn, hört man seinen Rivalen Dariusz Perczak, ein verlässliches Ensemblemitglied des Hauses, als Zurga. Übertroffen werden jedoch beide von ihrer heißbegehrten Priesterin Leíla, von Tetiana Myius mit wunderbarer Flexibilität, allen glasklaren Spitzentönen und seelenvoller Innigkeit gesungen. Etwas eindimensional wirkt Daeho Kim als Hohenpriester Nourabad. Mächtig und homogen singt der Chor der Oper Graz (Einstudierung: Bernhard Schneider).

Ohne auf die folkloristische Musik Ceylons Bezug zu nehmen, schuf Bizet einen orientalisch anmutenden Ton, indem er fremdartige Tonleitern, bizarre Harmonien oder außergewöhnliche Instrumentierungen einsetzte, die seiner eigenen Fantasie entsprangen. Mit diesem exotischen Sujet folgte Bizet einer Strömung seiner Zeit, in der großes Interesse an außereuropäischer Kultur herrschte. Das Grazer Philharmonische Orchester lässt unter dem Dirigat von Marcus Merkel das exotische Kolorit immer wieder wunderbar klangvoll aufblühen. Es wird nuanciert, mit feinsten Piani aber auch dramatischen Ausbrüchen, ausgewogen und sängerfreundlich musiziert.

Naturalistisch mit mehreren riesigen Felsbrocken zu Beginn, leergeräumt im letzten Akt mit dezent farbigen Himmelsprospekten im Hintergrund ist die Szenerie von Ben Baur (der auch gemeinsam mit Grazer Ballettchefin Beate Vollack für die etwas altbacken wirkenden Inszenierung verantwortlich zeichnet). Gemeinsam mit den Kostümen mit Kopfschmuck (Uta Meenen) wird durchaus eine gewisse exotische Atmosphäre verströmt. Allerdings ist den beiden außer einigen geschmackvollen Tanzszenen, drei hinzugefügten, mit Stecken gehenden Greisinnen, viel Kunstblut, offenem Feuer und Fackeln nicht viel eingefallen. So sieht man meist arrangierte Tableaus und viel Statik.

Großer Jubel im vollen Haus, wo man sehr froh ist, wieder Oper live erleben zu dürfen!

Dr. Helmut Christian Mayer

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