
Ihr Kind ist gestorben. Die namenlose Mutter will das nicht akzeptieren. Laut einem Märchenspruch, darf es zurückkehren, wenn sie binnen eines Tages einen glücklichen Menschen findet und diesem einen Knopf von dessen Kleidung abschneidet. Ihre durch eine Liste vorgegebene Odyssee führt sie zu einem Liebenspaar, das aber bald zum Streiten kommt. Sie wird zu einem Künstler geführt, der nur vom Knöpfen bekleidet in einem Glaskasten sitzt, auch bei einer Komponistin und einem Kunstsammler scheitert sie, weil sich herausstellt, dass alle unglücklich sind. Schließlich kommt sie zum geheimnisvollen Fabelwesen Zabelle, die ihr stark zu ähneln scheint. Diese erzählt ihr ihre Geschichte und verschwindet. Jetzt bekommt die Frau eine neue Sicht auf die Dinge. Der Ausgang der Geschichte bleibt offen.
Davon handelt in sieben Szenen die Oper "Picture a Day Like This". Sie ist eine Fabel und die vierte Oper von George Benjamin, der als einer der profiliertesten, britischen Komponisten der Gegenwart gilt, in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Martin Crimp - 2014 kam am Theater an der Wien die Oper der beiden „Written on Skin“ höchst erfolgreich zur Aufführung. Jetzt erlebte die Kurzoper, die in nur einer guten Stunde die existentiellsten Fragen des Lebend behandelt, bei den Tiroler Festspielen Erl im Festspielhaus seine österreichische Erstaufführung. Sie ist eine Auftragskomposition mit mehreren Opernhäusern, insbesondere mit dem Festival Aix-en-Provence, wo sie 2023 uraufgeführt wurde. Der Text ist dramaturgisch sehr dicht. Die Musik fließt sensibel dahin, wirkt teils wie gewebt aber sie schreit auch auf und bringt jede Situation auf den Punkt. Sie ist trotz der kleinen Orchesterbesetzung sehr intensiv und farbenreich. Benjamin hat für jede Person seine eigene Klangwelt und Harmonik kreiert. Bei den Szenenwechseln ertönen Glockentöne, auch für die ablaufende Zeit.
Sie wird vom nur mit 22 Mitgliedern besetzten Orchester der Tiroler Festspielein Zusammenarbeit mit dem Schallfeld Ensemble unter der exakt dirigierenden Corinna Niemeyer, die auch bei der Uraufführung als Assistenzdirigentin mitwirkte und die Oper dann auch in London und Luxemburg leitete, hochkonzentriert und feinsinnig wiedergegeben.
Als intensiv trauernde Frau singt Xenia Puskarz Thomas sehr ausdruckstark, in einer weiten Bandbreite von sehr tiefen bis leuchtenden Höhen. Sie beginnt a-cappella, nur manchmal von einem Harfenton begleitet. Mari Eriksmoen ist eine höhensichere Zabelle. Ideal besetzt sind auch Beate Mordal (Liebhaberin/Komponistin) sowie Paul Figuier (Liebhaber/Assistent) wie auch George Clarke (Künstler/Kunstsammler).
Die verkleinerte, meist leere Bühne im Festspielhaus Erl ist mit verspiegelten Elementen eingerahmt, wohin manchmal ein Bett, ein Glaskasten oder eine Galerie eingeschoben werden. Der Garten von Zabelle wird mittels Projektionen sehr phantasievoll ausgestattet. Fein ist auch die Lichtregie, die Bewegungen der Protagonisten sind meist sehr langsam. Daniel Jeanneteau und Marie-Christine Soma (Regie und Ausstattung) schaffen damit hohe szenische Dichte aber auch Eleganz.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
10. Juli 2025 | Drucken
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