Gelungene Realisierung von Cavalieris "Rappresentatione di Animo et di Corpo" in Wien

Xl_rappresentatione-wien-9-21-1 © Werner Kmetitsch

„Hier unten wird die Welt, mit Blumen geschmückt, dass sie mit Singen und Lächeln dem Paradies gleiche“: Mit solch fröhlichen Gesängen, mit Festmusik und ausgelassenen Tänzen der nunmehr ganz in Weiß gekleideten Gesellschaft und nach dem Ende all dieser vielen Versuchungen und Prüfungen endet das Werk mit einer lauten Party! Zwar zweifelt Corpo (der Körper) noch immer daran, was Anima (die Seele) schon längst begriffen hat, dass doch jeder in den Himmel kommen will.

"Rappresentatione di Anima et di Corpo" von Emilio de' Cavalieri gilt als erstes erhaltenes Musiktheater in der Musikgeschichte, in dem es um die großen Fragen des Lebens geht. Inspiriert von den mittelalterlichen Mysterienspielen hat es der Komponist anlässlich der Feierlichkeiten im Jahr 1600 in Rom komponiert. Papst Clemens VIII. hatte es zum „Heiligen Jahr“ ausgerufen, um gegen die Reformation Stellung zu beziehen und alle daran zu erinnern, dass es nur einen wahren Glauben gebe, nämlich den katholischen. Oberstes Gebot war die Verbindung zwischen Körper und Seele, die von allen Versuchungen verschont, ewiges Leben schenkt. Also ganz einfach: Wer danach lebt, kommt in den Himmel, wer nicht, in die Hölle. Nötigenfalls können abschreckende Beispiele nicht schaden. Ein Blick in die Hölle, ein Blick in den Himmel: Da fällt dann die Wahl leicht.

Dem damaligen Salzburger Festspielpräsidenten und Musikforscher Bernhard Paumgartner war Cavalieris Geniestreich ein Anliegen, 1968 wurde "Rappresentatione" erst in der Felsenreitschule, danach bis 1973 in Kollegienkirche aufgeführt. In der letzten Saison des Intendanten Roland Geyer wurde es jetzt als Eröffnungspremiere am Theater an der Wien auf die Bühne gestellt, kein leichtes Unterfangen, denn das „Spiel von Körper und Seele“ hat kaum eine Handlung und besteht ausschließlich aus allegorischen Figuren. Regisseur Robert Carsen ist das Kunststück, es lebendig zu machen, gelungen und es ins Hier und Jetzt herzuholen. Anders als bei den Salzburger Festspielen, wo der kanadische Regisseur Händels "Il trionfo del tempo e del disinganno" in eine Castingshow verwandelte, bleibt er diesmal eher abstrakt in einer von allegorischen Figuren bevölkerten Erbauungsgeschichte: Eine Multi - Kulti Theatertruppe in moderner Alltagskleidung, Trolleys nachziehend wartet auf den Beginn von Theaterproben. Es entsteht ein babylonischen Sprachengemisch. Dann zieht man sich um, in schwarze Gewänder und schleppt Stühle herein. Jeder mit einem Gebetsbuch in der Hand und vor dem Stuhl knieend, lässt eine Kirchenatmosphäre entstehen. Hierher werden Anima (die Seele), die von Anett Fritsch mit jugendlich frischem Sopran gesungen wird und Corpor (der Körper), den Daniel Schmutzhard mit nuancenreichem, kraftvollem Bariton verkörpert, auf der gemeinsamen Suche nach dem Sinn des Lebens geführt. Begleitet um den „rechten Weg“ zu finden und den Versuchungen zu widerstehen, werden sie von Consiglio (dem guten Rat), mit Florian Boesch luxuriös besetzt, von Intelletto (dem Verstand), dem Cyril Auvity seinen herrlichen, lyrischen Tenor leiht, beraten. Und vor allem von dem Angelo Custode (dem Schutzengel), den der Countertenor Carlo Vistoli phänomenal singt. Eine in Rot auftretende, kreischende, erotische, tanzende Truppe um Piacere (dem Vergnügen) mit der großartigen Margherita Maria Sala verspricht Vergnügen. Mondo (die Welt) und Vita Mondana (das weltliche Leben), die mit wunderbaren Stimmen singend von Georg Nigl (er singt auch Tempo- die Zeit) und Giuseppina Bridelli verkörpert werden, locken mit Reichtum, mit einer Entourage ganz in Gold gekleidet erscheinend.  Doch sie sind bald gezeichnet von körperlichem Verfall. Sind die Hüllen gefallen, bleiben ausgemergelte, faltige Körper übrig. Dann raucht es bedrohlich aus der Hölle, die auch sonst großartigen Tänzerinnen und Tänzer (Choreographie: Lorena Randi) schweben zwischen Himmel und Hölle halbnackt akrobatisch hinauf und hinunter.

Dominiert wird die Bühne von Schwarz-Weiß Tönen, die der Regisseur gemeinsam mit Luis Carvalho (auch für die geschmackvollen Kostüme zuständig) entworfen hat. Ein bewegliches Portal mit verschiedenen Lichtstimmungen symbolisiert die unterschiedlichen Stationen der Suche, wodurch tolle Bilder erzeugt werden. Letztlich geläutert wissen Anima und Corpor, wie sie zu leben haben. Das wird zum Schluss heftig gefeiert. Verlässlich und wunderbar singend wie immer erlebt man den auch spielfreudigen Arnold Schönberg Chor.

Dirigent Giovanni Antonini und sein Originalklang-gestählter Il Giardino Armonico wissen mit großer Stilsicherheit, teils regelrecht himmlischen Klängen und Verve zu musizieren. Ergänzt wird die Musik noch durch Intermezzi anderer Komponisten.

Das Publikum reagiert begeistert und jubelt uneingeschränkt!

Dr. Helmut Christian Mayer

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