"Elektra" in Genf: Technisch verliebte, szenische Eintönigkeit

Xl_elektra-genf-streaming-7-22-2-carole_parodi © Carole Parodi

Richard Strauss Elektra Grand Theatre Geneve/ Opernhaus Genf im Stream

"Elektra" in Genf: Technisch verliebte, szenische Eintönigkeit 

Zugegeben diese gewaltige, hydraulische Bühnenmaschine ist schon imposant. Mit ihren zwei sich gegeneinander beweglichen Plattformen und einem darüber stülpbaren Zylinderkäfig strahlt sie eine große Bildmacht aus. Kalt und gefühllos zur Atmosphäre passend besteht sie zudem noch aus lauter Eisengestängen: In diesem Einheitsbühnenbild erlebt man die Oper Elektra von Richard Strauss (Musik) und Hugo von Hofmannsthal (Libretto) im Grand Theatre Genève, wo sie im Februar dieses Jahres aufgezeichnet und jetzt im Stream zu erleben ist. Alle Figuren agieren auf diesen Plattformen, die sich stets drehend, auch ihre Auftritte und Abgänge im Hintergrund ermöglichen. Die Szenerie wurden von Schauspielregisseur Ulrich Rasche, bekannt für seine kolossalen, stählernen Bühnen-Maschinen und somit auch sein eigener Bühnenbildner, erdacht. Das Schauspiel von Hofmannsthal hatte er vor drei Jahren im Münchner Residenztheater schon einmal in so einen Drehscheibenturm verfrachtet und rotieren lassen.  Nun liefert er mit dieser „Elektra“ sein Opernregiedebut ab. Alle Figuren sind in einem schwarzen, enganliegenden Einheitsanzug mit streng nach hinten gebundenen Haaren gekleidet (Kostüme: Sara Schwartz und Romy Springsguth) und lassen sich auf Grund der Uniformierung kaum voneinander unterscheiden. Individualität ist in diesem totalen Regime offenbar verboten. Wegen der teilweisen Schrägen sind auch alle angeseilt. So beeindruckend die Szenerie zu Beginn auch ist, so wird sie trotz eindrucksvollem Lichteinsatz und Theaternebel bald eintönig. Zudem müssen die Protagonisten auf Grund der sich stetigen Bewegung der Plattformen für die gesamte Dauer der Oper immer vor sich her schreiten, eine Interaktion zwischen ihnen findet hingegen nicht statt. Schlüsselszenen, wie die Wiedererkennungsszene der Titelheldin mit ihrem Bruder Orest werden verschenkt und können ihre emotionale Wirkung nicht entfachen. Eine Personenführung, eine Entwicklung oder Interpretation findet nicht statt, so als ob die Figuren den Regisseur nicht zu interessieren scheinen.

Und so findet Richard Strauss in erster Linie musikalisch statt, wobei alle Protagonisten sehr wortdeutlich zu vernehmen sind: Ingela Brimberg als Elektra fasziniert mit müheloser, leuchtender Höhe und packender Dramatik aber auch mit vielen feinen Tönen. Sara Jakubiak ist eine leidenschaftliche, sich nach Leben sehnende Chrysothemis mit hellen Soprantönen. Tanja Ariane Baumgartner, die als Klytämnestra schon bei den letzten Salzburger Festspielen reüssierte, gibt der Rolle ein starkes Profil und viel Grandezza. Károly Szemerédy ist eine kerniger Orest mit ausgesprochen schönem Bariton. Sehr einprägsam weiß Michael Laurenz bei seinem Kurzauftritt als Aegisth zu überzeugen.

Jonathan Nott am Pult des Orchestre de la Suisse Romande gibt den zuverlässigen musikalischen Duktus mit vielen Zwischentönen und Farben. Allerdings wären kraftvollerer Ausbrüche und eine stärkere Präsenz des Orchesters fallweise wünschenswerter gewesen.

Dr. Helmut Christian Mayer

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