Ein würdiger Abschluss der Ära Meyer an der Wiener Staatsoper: Galakonzert des Ensembles

Xl_galakonzert-wien-6-20-3 © Michael Pöhn

Keine Stars sondern „seine Kinder“ wollte der scheidende Direktor Dominique Meyer bei seinem Abschiedsabend auf der Bühne der Wiener Staatsoper sehen, bevor er diese in Richtung Mailänder Scala verlässt und dort Chef wird. Deshalb waren beim Galakonzert ausschließlich überwiegend junge Ensemblemitglieder des führenden österreichischen Opernhauses, herausragende und hoffnungsvolle Kräfte, von denen einige in letzter Zeit bereits international für Aufsehen gesorgt haben, zu erleben. Viele davon hat Meyer selbst im Laufe der Jahre entdeckt und engagiert, wie er in seiner Abschiedsrede nicht ohne Stolz hervorhebt. Es war ein würdiges Finale der Ära Meyer, das auch mittels Stream zu verfolgen war. Und was besonders erfreulich war: Erstmal seit knapp vier Monaten spielte auch das Staatsopernorchester wieder, wobei sich Ádam Fischer und Marco Armiliato gekonnt mit Verve und Einfühlungsvermögen das Pult teilten. Ein hoffnungsvolles Anzeichen dafür, dass der Opernbetrieb – nach den empfindlichen Einschränkungen infolge der Corona-Krise – doch wieder auf Touren zu kommen scheint. Geboten wurden Arien, Duette und ein immerhin beinahe halbszenisch dargebotener Ensembleauftritt zum Schluss.

Wolfgang Amadeus Mozart war der erste Teil ausschließlich gewidmet. Adam Plachetka mit „Fin ch’han dal vinoaus „Don Giovanni“ und Chen Reiss mit „Se il padre perdeisowie Benjamin Bruns mit Fuor‘ del mar“, beides Arien aus „Idomeneo“, bewiesen, dass sie zu jenen gehören, denen der Sprung in eine internationale Karriere bereits gelungen ist. Valeriia Savonskaias sehnsibel vorgetragene Arie der Fiordiligi Temerari … Come scoglioaus „Cosi fan tutte“setzte hingegen ein intensives Zeichen für einen hoffungsvollen Neuzugang.

Von geradezu überschäumender Spielfreude geprägt waren die Ausschnitte aus Mozarts „Le nozze di Figaro“: Rachel Frenkel als Cherubino zeigte mit „Non so più cosa son, cosa faccio, ihr großes Können. Olga Bezsmertna („Dove sono“, Arie der Contessa d’Almaviva) und Svetlina Stoyanova („Voi che sapete, Arie des Cherubino) sind bereits so etwas wie Fixsterne am Opernhimmel, was auch für Valentina Naforniță gilt, die Susannas Deh vieni non tardarzum Funkeln brachte. Vor ihr hatte bereits Alessio Arduini mit seinem ausdruckstarken Baritonals schlauer aber leidenschaftlicher Figaro (Aprite un po‘ quegli occhi“) seinen gefeierten Auftritt feierte. Fulminant beschlossen wurde der Mozart-Block mit dem Finale des 2. Akts des Figaros.

Dann folgt ein Arienreigen, der die Vielfalt des Repertoires widerspiegelt, der aber auch Lücken offenlegt. Samuel Hasselhorns seelenvoll vorgetragene Arie O du mein holder Abendstern“ aus Wagners „Tannhäuser“und Tomasz Koniecznys aufrüttelndes Die Frist ist umerinnern daran, dass in der Ära Meyer – außer dem alljährlichen  „Ring des Nibelungen“ –  Wagner ziemlich stiefmütterlich behandelt worden ist: Es fehlten „Tannhäuser“, „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger“im Repertoire.

 Josh Lovell, erst seit 2019/20 Ensemblemitglied des Hauses, zeigte mit der Arie Ah, mes amis“ des Tonio aus La Fille du régimentvon Gaetano Donizettiwas für einen strahlend hellen Tenor er hat. Die gefürchteten Höhen bewältigt er mit Bravour! Aus derselben Operstammt auch die Arie der Marie Salut à la France“. Daniela Fally ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, mit ihren darstellerischen und gesanglichen Fähigkeiten zu brillieren.

Ileana Tonca und Margaret Plummer gestalteten höchst gefühlvoll den Abendsegen aus Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“, das sich in der nachfolgenden Pantomime auch dem Staatsopernorchester unter der Leitung von Adam Fischer die Chance bot, sich klangmalerisch fein nuanciert zu entfalten, Dann bot Michael Laurenz als Frantz in „Jour et nuit“aus OffenbachsLes Contes d’Hoffmann“ ein köstliches Vergnügen!

Ausgelassen ging es im folgenden Duett „Al Capricci“aus Rossinis „L’Italiana in Algeri“weiter. Margarita Gritskova und Orhan Yildiz sind trotz ihrer Jugend ausgeprägte Sing-Schauspieler von Format und bestens aufeinander abgestimmt. Zu den vielversprechenden Entdeckungen von Meyer gehören auch Mariam Battistelli und vor allem Jinxu Xiahou. Die Mezzosopranistin ist zuletzt als Musetta in der Boheme aufgefallen. Mit so nachhaltigem Eindruck, dass sie mit deren Prachtnummer Quando me’n vo auch jetzt dabei ist, während der vielseitige Tenor mit der Arie Ella mi fu rapita des Herzogs aus Giuseppe Verdis Rigoletto zu punkten versteht.

Den abschließenden Programmteil leiteten drei Verdi-Arien ein, dirigiert von Marco Armiliato,  der an diesem Abend vornehmlich für das italienische Fach zuständig ist und sich mit seinem Kollegen Adam Fischer – beide sind  Ehrenmitglieder des Hauses – abwechselte. Anita Hartig sang Pace, pace“ aus „La forza del destino“, Szilvia Vörös mit O don fatale aus „Don Carlo“ und Jongmin Park Come dal ciel precipitaaus „Macbeth“. Hartig und Park festigen damit ihren Ruf als langjährige und vielfach bewährte Stützen des Hauses.

Den glanzvollen, wenn auch stimmlich nicht ganz ausgewogenen Schlusspunkt setzt die Schlussfuge Tutto nel mondo è burlaaus Verdis „Falstaff“, in der neben vielen schon oben genannten Künstlerinnen und Künstlern auch noch Stephanie Houtzeel, Zoryana Kushpler, Clemens Unterreiner, Leonard Nacvarro, Bendikt Kobel und Ryan Speedo Green gekonnt mitwirkten.

Danach erhielt er nach verbalen Ehrungen durch Ex-Bundepräsident Heinz Fischer von Bundestheater Holding-Geschäftsführer Christian Kircher die Ehrenmitgliedschaft der Staatsoper. Ab 1. Juli trägt nun Bogdan Roščić die Direktorenlast der Staatsoper. Dominique Meyer geht nach 3800 Aufführungen (in zehn Jahren) an die Mailänder Scala.

Dabei gab es den ganzen Abend viel Applaus von den hundert zugelassenen Zuhörern.

Dr. Helmut Christian Mayer


 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading