Ein musikalischer Glanzpunkt der Salzburger Festspiele: Giuseppe Verdis „Macbeth“

Xl_macbeth-bernd_uhlig-salzburg-8-23-1 © Bernd Uhlig

 Leer ist die Bühne. Nur eine unfassbar lange Wartebank, wie von einem Bahnhof über fast die gesamte Breite ist zu sehen. Hier wartet Lady Macbeth auf den Arzt. Ein Tunnel mit Vorhängen wird hereingeschoben, hier wird sie gynäkologisch untersucht, was auf Videoprojektionen andeutungsweise zu sehen ist. Als sie vom Gynäkologen erfährt, dass sie keine Kinder bekommen kann, bricht sie fast zusammen. Das ist eine Schlüsselszenein Krzysztof Warlikowskis Inszenierung von Giuseppe Verdis „Macbeth“ bei den Salzburger Festspielen: Wenn schon kein Kind, dann Flucht und Erfüllung durch Macht, welches ihrem Mann von den Hexen prophezeit wird. Der Kindertraum wird zum Trauma. Ihr Ehrgeiz erwacht und Rachegedanken blitzen auf. Sie animiert ihren Gatten zu den folgenden Morden.

Auf der riesigen Bühne des Großen Festspielhauses wird mit Simultanszenen und filmischen Videoprojektionen, wo etwa auch der Mord an König Duncan gezeigt wird, gearbeitet. Die Hexen sind blind, bestehen überwiegend aus kleinen Mädchen und werden immer mit einem Kubus herein- oder hinausgeschoben. Das gehört zu den immer wiederkehrenden Stilmitteln des polnischen Regisseurs. Er zeigt auch ständig eigene Zitate aus seinen anderen Werken und greift immer wieder in seine Psychokiste, wofür seine Frau Malgorzata Szcześniak einen durchaus ästhetischen Psychoraum, der wie auch die Kostüme an die 1930 Jahre erinnern, entworfen hat. Etwa werden auf einer langen, ebenfalls hereingeschobenen Tribüne für den Chor beim Festmahl später kleine Kinder, es sind jene von Macduff, vergiftet, denn Kinder von anderen erscheinen Macbeth eine Bedrohung. Gleichzeitig sieht man per Video den Herodes-Feldzug gegen die Erstgeborenen aus Pasolinis „Matthäus-Evangelium“. Ein anderes Mal werden Baby-Puppen auf Blumenkohl angerichtet. Als Macbeth glaubt, den ermordeten Banco zu sehen, tragen Kinder entsprechende Masken. Zum Finale sind jedenfalls Macbeth jetzt schon im Rollstuhl und seine Lady blutüberströmt gefesselt und werden von Macduff nicht erschossen, obwohl er mehrmals die Pistole auf sie richtet, sondern dem Volk zur Lynchjustiz übergeben.Trotzdem wirkt manches auf der Riesenbühne doch etwas verloren.

Mit der Salome von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen gelang ihr 2018 der internationale Durchbruch. Zuvor war sie hier schon als Wozzeck-Marie zu erleben. Dann reüssierte Asmik Grigorian ebenfalls bei den Festspielen als Chrysothemis aus Strauss „Elektra“, um dann auch in Puccinis „Trittico“ alle Frauenrollen zu mimen. Jetzt also die Lady Macbeth. Darstellerisch umwerfend vielseitig, sie kann Machtrausch, Depression, Kälte und Wahn vereinen. Auch stimmlich ist sie reich an Emotionen und Abstufungen. Fast ein bisschen zu viel Schöngesangund zu wenig brutal in ihrem Ausdruck, denn Verdi wollte gar keine allzu schöne Interpretation dieser Rolle. Nur manchmal gerät ihr Sopran an seine Grenzen. Ihr Trinklied darf sie im Zentrum eines Strahlenkranzes singen, sonst muss sie während ihrer großen Szenen mit dem Feuer spielen, sich umziehen oder mit Stöckelschuhen über die lange Bahnhofsbank klettern. Ihr ebenbürtig verfügt Vladislav Sulimsky in der Titelrolle über einen sehr edlen geführten Bariton, fast zu schön für einen Bösewicht aber durchaus auch zur Dramatik fähig. Tareq Nazmi ist ein profunder, kraftvoller Banco, Jonathan Tetelman ein Macduff mit einem stimmkräftigen, höhensicheren Tenor. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor singt machtvoll und mitreißend. Wunderbar erlebt man die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Philippe Jordan, der kurzfristig für den erkrankten Franz Welser-Möst eingesprungen ist und der diese Oper schon als Premiere an der Wiener Staatsoper dirigiert hat.  Man hört das Orchester ungemein farbenprächtig, fein ausbalanciert, dramatisch wuchtig und ganz zart in den Lyrismen.

Am Ende gab es viel Applaus für die meisten Sänger und für den Dirigenten, auch aus dem Graben.

Dr. Helmut Christian Mayer

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