Ein doppelter Parsifal in Budapest

Xl_parsifal-budapest-7-22-1 © Valter Berez

Frappant erinnert diese Konzeption von Richard Wagners „Parsifal“ an die jüngste Produktion der Wiener Staatsoper. Denn der Titelheld wird als älterer, grauhaariger Mann dargestellt, der bedauernd zurückblickt und sich selbst als jugendlichen Mann beobachtet. Alles hat bereits stattgefunden, die Gemeinschaft der Gralsritter ist bereits zerbrochen: So sieht es zumindest Regisseur András Almási-Tóth in dieser Neuinszenierung vom April 2022 in der neu renovierten Ungarischen Staatsoper in Budapest, die jetzt im Stream zu erleben ist. Dieser junge Parsifal, ein Tänzer (Benjámin Taba) spielt auch die meiste Zeit, während der Sänger meist seitlich oder im Hintergrund statisch für den Gesang zuständig ist. Erst im zweiten Akt lässt sich der Junge noch von den Blumenmädchen, die teilweise mit blankem Busen zu erleben sind, bezirzen. Erst nach dem Erscheinen von Kundry übernimmt der Sänger bis zum Finale das Kommando zum Agieren, wobei im letzten Akt Parsifal sogar nochmals zusätzlich als Kind erscheint und von einer zweiten Kundry die Füße gewaschen bekommt. Insgesamt ist diese Verdopplung eine entbehrliche, auch sehr beliebige Idee, deren Sinn nicht aufgeht und vor allem nicht neu ist, die aber in Mode zu kommen scheint.

All dies sieht man in einem nüchternen, heutigen Raum mit riesigen Fenstern mit Blick auf eine Fassade ohne jegliche Mystik (Bühne: Sebastian Hannak). Die Ritter tragen moderne Kleidung, behalten aber einige die zeremoniellen Insignien der Ritter bei, einige tragen Steppjacken, andere gepanzerte Brustpanzer. Nach der Verwandlungsmusik tauchen die Ritter mit christlichen Fahnen auf. Die Gralsenthüllung zeigt Amfortas im Rollstuhl, auf dem eine Lampe mit rotem Licht angebracht ist. Im zweiten Akt wird sich die Szenerie in einen Innenhof mit Bäumen und schönen, historischen Fassaden eines ungarischen Palastes durchaus mit Ästhetik wandeln. Während im dritten Akt der kalte Raum zurückkehrt und zum Finale mit Projektionen, einen beweglichen Tunnel suggerierend, eines grünen Waldes sowie aus Leuchtbalken und Schriftzeichen wie „der Speer“, „die Wunde“, „der Gral“. Ansonsten herrscht wenig Bewegung vor.

Gesungen wird ausschließlich von ungarischen Sängern überwiegend sehr gut und mit erstaunlich großer Textverständlichkeit: Allen voran mit Mihály Kálmándy als immens gequälter Amfortasmit balsamisch weichem Bass. Andrea Szántó ist eine vitale und dramatische Kundry, István Rácz ein etwas roher Titurel. András Palerdi erlebt man als sehr präsenten Gurnemanz mit stimmlicher Dominanz, nur manchmal wirkt er etwas zu knorrig. Er steht die lange, anstrengende Partie ohne Ermüdungserscheinungen durch. István Kovácsházi verfügt als Parsifal über einen schönen, vielleicht etwas zu lyrischen Tenor, dem manchmal jedoch die Durchschlagkraft fehlt. Im Pelzmantel gefällt auch Károly Szemerédy als nicht allzu bösen Klingsor. Tadellos singen auch die Blumenmädchen und die Chöre des Hauses.

Balázs Kocsár dirigiert souverän und kraftvoll das Ungarische Staatsopernorchester, wobei sehr differenziert bezüglich Tempo und Dynamik agiert wird. Dabei weiß der Maestro einen farbenreichen, impressionistischen Klangrausch zu entfesseln, ohne je zu dick aufzutragen und hingegen immer transparent sowie sängerfreundlich musizieren zu lassen.

Viele Bravi!

Dr. Helmut Christian Mayer

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