© Michael Pöhn
In ihrem weißen, blutgetränkten, zerrissenen Brautkleid schleppt sie sich mit blutverschmierten Händen herein, nachdem sie den ihr aufgezwungenen Ehemann ermordet hat, um dann mit glasklarer Stimme und perfekten Koloraturen, die mit extremen Schwierigkeiten und mit fast unsingbaren Höhen gespickte „Wahnsinnsarie“ zu singen: Adela Zaharia ist bei der Wiederaufnahme von Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ an der Wiener Staatsoper eine phänomenale, heftig umjubelte Titelheldin.Die aus Rumänien stammende, 38-jährige Sopranistin singt bei ihrem Rollendebüt am Haus am Ring die belcanteske Glanzrolle mit großer Leidenschaft und Schmerz. Scheinbar mühelos meistert sie alle Klippen des immens schweren Koloraturgesangs. Sie brilliert aber nicht nur in dieser Arie, wo sie in einen intensiven Dialog mit der Glasharmonika tritt, sondern auch sonst: Jede Höhe und jede Nuance sitzt und sie weiß auch zarte, innige Piani auszuformen.
Auch sonst sind lauter Rollendebütanten zu hören: Bekhzod Davronov verfügt als Edgardo über einen schönen Tenor, verheißungsvoll mit feinen Lyrismen, reich an Emotionen und ungefährdeten Höhen, für das Haus wirkt seine Stimme jedoch etwas zu klein. Mattia Olivieri singt den Enrico, den Bruder von Lucia, mit seinem warmen Bariton kraftvoll, wirkt aber insgesamt als zu wenig skrupellos. Der indisponiert angesagte Adam Palka singt einen gutmütigen Priester Raimondo. Bei den kleineren Partien singen der intrigantisch agierende Carlos Osuna als Normanno sowie Isabel Signoret als Alisa solide. Mit feinem Tenor hört man den kurzfristig eingesprungenen Daniel Jenz als Arturo. Der Staatsopernchor singt meist homogen und klangschön.
Der unerschöpfliche musikalische Reichtum wird vom Staatsopernorchester unter Roberto Abbado vor allem im lyrischen Bereich mit feinsinnigen Ausdrucksmöglichkeiten farbenreich und klangschön musiziert. Manche dramatische Stellen wirken jedoch etwas zu zahm.
Die in schwarz-weißen oder in Grautönen gehaltene Inszenierung von Laurent Pelly aus 2019, dem als Inspirationsquelle die Verfilmung von Edgar Allan Poes „The Fall of the House of Usher“ dienste, tut zwar niemanden weh, ist aber auch ziemlich nichtssagend. Schneehügel, durchsichtige Paravent-Elemente und in der Wahnsinnsszene dann ein roter Teppich auf der Bühne. Zwischendurch schneit es und die Sänger stehen entweder verloren im Schnee, meist aber an der Rampe, herum. Eine besondere Personenführung ist nicht auszumachen.
Viele Bravi für die Sänger!
Dr. Helmut Christian Mayer
19. November 2025 | Drucken

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