„Don Giovanni“ aus Zürich mit Harnoncourt: Hommage an einen musikalischen Giganten

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Nikolaus Harnoncourt war ein musikalischer Gigant. Jetzt im März jährte sich sein 5. Todestag. Grund genug für das Züricher Opernhaus einige seiner hier gezeigten singulären Aufführungen jetzt wieder zu streamen. Und Nikolaus Harnoncourt war absolut kompromisslos und wohltuend eigenwillig. Der österreichische Dirigent verstörte meist nach umfangreichen Studien der Originalpartituren mit seinen oft radikalen Interpretationen und stellte die gängige Aufführungspraxis teils auf den Kopf. Hörerwartungen ignorierte er gekonnt. Aber sie genießen zu Recht hohes Ansehen und bleiben für viele dennoch Geschmackssache.

Und dies zeigte sich auch wieder bei Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ in einer Aufnahme aus 2001: Nikolaus Harnoncourt Lesart ist authentisch, eigenwillig, teils recht schroff und klug, mit teils sehr zugespitzten Tempi. Am Pult des Zürcher Opernorchesters ist er stets befeuernd und erzeugt ein ungemein temperamentvolles und durchsichtiges Instrumentalspiel.

Man glaubt Cecilia Bartoli in jeder Sekunde den Furor, wenn sie Don Giovanni androht, ihm das Herz aus dem Leibe zu reißen: Ein wahres Temperamentsbündel mit viel Präsenz, sowohl in der Darstellung als auch im rein stimmlichen Bereich mit ihrem ungemein flexiblen, geläufigen Gesang. Ihre Rachearien quellen fast über vor Energie, ihr Kummer und ihre Wut sind herzzerreißend. Tatsächlich ist Cecilia Bartoli nicht die einzige gute Schauspielerin unter den beteiligten Sängern, es sind die großen damaligen Stars der Züricher Oper zu vernehmen. So wären viele Damen dem feschen Rodney Gilfry in der Titelrolle gewiss selbst auch auf den Leim gegangen: So zärtlich und so galant, ja schmachtend, teils mit regelrecht lüsternem Gesichtsausdruck drängt er seine weibliche Umgebung in die Horizontale. Als Leporello ist László Polgár eine echte Wucht, ein Schurke wie sein Herr mit einer ebenso prächtigen Stimme.  Zerbrechlichkeit und Reinheit zeigt Isabel Rey als Donna Anna. Liliana Nikiteanu ist vielleicht als Zerlina zu naiv, singt aber fein. Roberto Saccà setzt mit seinem wunderschön geführten Tenor als Don Ottavio seine ganze Italianità ein. Oliver Widmer singt einen temperamentvollen Masetto, der klar seinem Ausdruck den Vortritt vor Tonschönheit gibt. Eine Luxusbesetzung ist Matti Salminen als stimmgewaltiger und furchteinflößender Komtur.

Jürgen Flimms Regiearbeit ist handwerklich solide, konventionell und alles andere als ein Aufreger. Sie gewinnt aber in der detailreichen Ausformung, die man besonders bei den mimischen und gestischen Großaufnahmen erkennt. Die historisierenden Kostüme assoziieren die Mode des aristokratischen 18. Jahrhunderts. Die Geschichte wird vor dunklen Vorhängen und verschiedenen Projektionen gezeigt, mit einem großen, begehbaren Holzgestell mit der Statue des Komturs, wo auch die wenig spektakuläre Höllenfahrt des ewigen Verführers mit einem brennenden Tisch stattfindet (Bühnenbild: Erich Wonder).

Großer Jubel des Publikums im Saal, der speziell bei Harnoncourt seine höchste Phonzahl erreicht.


Dr. Helmut Christian Mayer

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