Dieter Kaufmann, Kärntner Komponist, wird 80 und hat immer noch "ein neugieriges Ohr"

Xl_dieter_kaufmann © Eigenfoto

Welche Wünsche haben Sie zu ihrem runden Geburtstag?

Dieter Kaufmann: Der schon verstorbene Kärntner Komponist und ORF Mitarbeiter Nikolaus Fheodoroff hat anlässlich meines 40. Geburtstags im ORF Kärnten über mich eine Sendung gestaltet, die hieß „Hälfte des Lebens“. Demnach wäre jetzt also die zweite Hälfte vorbei. Aber mein Alter beunruhigt mich jetzt nicht mehr, denn ich habe mir vorgenommen, dass ich 100 Jahre alt werde. Dafür wünsche ich mir Gesundheit. Und ein großer Wunsch wäre auch, dass meine Werke mehr aufgeführt werden. Es geht mir dabei aber nicht um irgendwelchen Ruhm, sondern ich will einfach wissen, wie meine Stücke klingen. So harren beispielweise zwei meiner neun Opern immer noch der Uraufführung: „Freier Fall“ nach Gert Jonke-Texten und „Alpha“ nach einem frühen Text von Robert Musil.

Hat es ein zeitgenössischer Komponist heute besonders schwer?

Kaufmann: Auf jeden Fall, denn es besteht eine große Konkurrenz zur Unterhaltungsmusik. Bei dieser geht es nur um die Quantität, wie viele Menschen erreiche ich damit, die ist messbar, und nicht um die Qualität von Stücken, die man nicht messen kann.

Wie werden Sie ihren Geburtstag feiern?

Kaufmann: Einerseits sicher im Familienkreis. Musikalisch wird am 18.4. anlässlich der Gert Jonke Preisverleihung im Konzerthaus Klagenfurt ohne Publikum ein Video von der Uraufführung meiner Vertonungen von fünf Jonke Gedichten, und zwar vom Gesangsensemble Hortus Musicus, gezeigt.  Dann wird es in der Sendung „Zeitton“ ein Porträt von mir am 20.4. im Radiosender Ö1 geben. Weiters sind eine Reihe von Geburtstagskonzerten in Feldkirchen, Klagenfurt und Villach, Ausführende sind ebenfalls Hortus Musicus und das Carinthia Saxofon Quartett, geplant. Und im Mai findet im Zentrum für zeitgenössische Musik (ZZM) in Klagenfurt ein Abend ausschließlich mit elektroakustischer Musik von mir statt. Auch in Wien ist einiges in Planung.

Sie sind künstlerisch sehr breit aufgestellt, sie singen, schreiben Texte, dirigieren, inszenieren…und sie haben für alle Genres komponiert. Wie viele Werke? Und gibt es da Favoriten?

Kaufmann: Ich bin jetzt bei der Opus-Zahl 235 angelangt. Das ist ein Werk für Solovioline, geschrieben für die Geigerin Elena Denisova. Sie wird es demnächst aufführen. Ihr Feedback ist, dass das Stück technisch sehr herausfordernd ist. Mein persönlicher Favorit ist das Musikdrama „Volksoper“, nach dem Text von Gert Jonke, dessen UA 1984 am Theater an der Wien stattfand. Den schon verstorbenen Kärntner Schriftsteller Gert Jonke schätze ich besonders wegen seiner speziellen Sprache, auch war ich mit ihm befreundet. Aber ich mag auch mein Klavierkonzert sehr, das beim Carinthischen Sommer aufgeführt wurde.

In ihrem Komponierzimmer habe ich am Tisch neben dem Klavierflügel ein Notenblatt mit dem Titel „Tristan-Variationen“ entdeckt….

Kaufmann:Daran arbeite ich gerade. Es ist die vierstimmige Bearbeitung eines Motivs aus Wagners „Tristan und Isolde“ für das Carinthia Saxophonquartett, das viele meiner Werke aufführt ebenso wie Hortus Musicus, mit beiden bin ich schon lange verbunden.

Sie galten lange Zeit als Pionier für Elektroakustische Musik für Österreich, wo sie von extremen Klängen bis hin zu Geräuschen alles einfließen ließen. Kürzlich erlebte ihr ziemlich tonal klingendes Orchesterwerk „Tolleranza - Etüden für eine bessere Welt“ mit dem Concert-Verein Wien unter Ernst Theiss bei dem Festival Wörthersee-Classics im Konzerthaus Klagenfurt ohne Publikum aber im Stream seine Uraufführung. Ist das ihr neuer Kompositionsstil?

Kaufmann: Ich verknüpfe derzeit vieles gerne mit der Zwölftonmusik, aber ich will Freiheit von deren strengen Regeln.  So will ich nicht auf die Tonalität und den wunderbaren Dreiklang verzichten. Ich entwickle so meine eigenen Theorien und könnte eigentlich schon eine eigene Harmonielehre schreiben.

Woran arbeiten sie derzeit noch?

Kaufmann: Ich vertone gerade die Rede von Greta Thunberg „Friday 20 for Future“, dessen Uraufführung wird am 5. 6. 2021 in Wien anlässlich des Umwelttages vom Wiener Frauenkammerorchester aufgeführt werden. Im Jahr 2000 habe ich ein Werk für Chor und Orchester über alle Artikel der UN-Charta für Menschenrechte komponiert. Dies wurde vom Bruckner Orchester unter Ernst Theiss in Wien uraufgeführt. Für 2022 ist eine Wiederholung geplant. Auch die kleinen Formen reizen mich immer mehr. Ich schreibe nicht nur elektroakustische Musik.

Für ihr musikalisches Schaffen war und ist die Schauspielerin Gunda König, ihre Frau, von großer Bedeutung?

Kaufmann: Wir haben uns gegenseitig stark inspiriert.Ich habe eine Menge speziell für sie geschrieben: Sprechrollen aber auch Gesangsstücke. Wir haben 1970 gemeinsam das K&K Experimentalstudio gegründet, mit diesem waren wir in ganz Europa, Amerika etc. mit Konzerten, Musiktheater und Multimediaperformances unterwegs und wir hatten auch eine eigene Sendereihe im österreichischen Rundfunk.

Sie wohnen hier in Waiern ober Feldkirchen mit einem herrlichen Blick auf die Karawanken, in einem alten Haus, mit alten Holzböden, einem alten Kachelofen.Wie alt ist es?

Kaufmann: 110 Jahre. Es ist das Haus meiner Großeltern, die es 1929 gekauft haben. Ich bin zwar in Wien geboren, aber mit drei Jahren nach Kärnten gekommen, weil unser Haus in Wien zerbombt wurde.

Sie waren auch politisch als grüner Gemeinderat von Feldkirchen tätig…

Kaufmann: Das war eine ganz eigene Erfahrung. Drei Jahre lang war das, wir hatten nur einen einzigen Sitz. Aber ich habe jetzt bei den letzten Wahlen als Solidarität wieder kandidiert, allerdings nur an unwählbarer 23. Stelle.

Aus ihrem reichen künstlerischen Leben könnten Sie sicher viele Anekdoten erzählen?

Kaufmann: Bei einer Aufführung meiner und von mir dirigierten Operette „Solamento Dolores!“ in Paris vor ca. 10 Jahren, hat die Sängerin mitten im Stück einen halben Takt zu früh eingesetzt und dies mit Verbissenheit bis zum Ende durchgehalten. Ich musste dabei die ganze Zeit lachen.

Welche Musik hören Sie privat?

Kaufmann: Ich habe zwar immer noch ein neugieriges Ohr, komme vor lauter Komponieren, die Pandemie macht dies möglich, kaum zum Hören anderer Musik. Puccinis „Tosca“ höre ich sehr gerne.

Gibt es außer dem Komponieren noch ein Hobby?

Kaufmann: Seit meinem 14. Lebensjahr spiele ich jeden Sonntag die Orgel, zuerst in Waiern und jetzt in der evangelischen Kirche in Gnesau, bei der Messe. Meistens improvisiere ich, weil gesungen darf ja jetzt nicht werden. Und jedes Jahr machten wir eine Reise nach Paris, was aber leider derzeit nicht möglich ist.

Dr. Helmut Christian Mayer

Zur Person:

Dieter Kaufmann, 80 Jahre alt, in Wien geboren, in Kärnten aufgewachsen. Studien in Wien bei Karl Schiske und Gottfried von Einem, in Paris bei Olivier Messiaen, Rene Leibowitz, Pierre Schaeffer und Francois Bayle Komposition und elektroakustische Musik. Ab 1970 Lehrer, später Professor für diese Fächer an der Wiener Musikuniversität. 1975 Gründung des K&K Experimentalstudio mit seiner Frau Gunda König. 83-90 Leitung einer Kompositionsklasse am Kärntner Konservatorium. Kompositionen aller Genres: Vokal-, Instrumental- und Orchesterwerke. Elektroakustische und Live-Elektronische Kompositionen und zahlreiche Musiktheaterwerke, darunter Opern u.a. nach Texten von Gert Jonke, Robert Musil, Josef Winkler und Elfriede Jelinek. Zahlreiche Preise und CDs.

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