"Die Fledermaus" von Strauß zum schaumgebremsten Jahreswechsel in Wien

Xl_fledermaus-wien-12-20-1 © Michael Pöhn

„Glücklich ist, wer vergisst“: Diese Nummer aus dieser Operette lässt sich auch topaktuell auf das problematisch schwierige alte Jahr 2020 mit der Pandemie ummünzen, das man am liebsten vergessen und komplett abschreiben möchte. Aber trotzdem spielt man sie, denn was wäre in Wien der Jahreswechsel ohne „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. So wird diese auch diesmal traditionellerweise, wie jeden Silvester an der Wiener Staatsoper gezeigt. Aber eine unbeschwerte Stimmung für den Jahreswechsel will nicht so recht aufkommen, denn sie wird wieder ohne Publikum, ausgenommen einer Hand voll privilegierter Journalisten, gespielt und so musste man wieder einmal mit einem Live-Streaming vorliebnehmen. Und so fehlte wieder einmal das Feedback und auch die Lacher der Zuschauer, zu der ja die Meisteroperette animieren und die Akteure beflügeln sollen.

„Ruhe! Wenn ein österreichischer Beamter in der Früh ins Büro kommt, will er seine Ruhe haben“: Auch solche Ansagen wegen des in der Zelle lautstark singenden Häftlings Alfred vom Gefängnisdieners Frosch wirken schaumgebremst. Peter Simonischek spielt den viel Sliwowitz trinkenden Beamten zum wiederholten Mal an der Wiener Staatsoper mehr steirisch als wienerisch (er stammt aus der Steiermark): Sehr schwerfällig betrunken, wenig für Laune sorgend und ohne wirklich zündende Pointen, obwohl einige aktualisiert sind.

Hingegen kann das sängerische Ensemble beinahe voll zünden: Keine Geringere als Camilla Nylund ist für die Rosalinde aufgeboten. Sie singt sie mit ihrem blühenden Sopran und der notwendigen Leichtigkeit ihrer großen Opernstimme. Ihr Deutsch ist auch bei den vielen Sprechdialogen exzellent. Ihr zur Seite der Wiener Georg Nigl,an der Staatsoper bisher kaum in Erscheinung getreten, zeigt vielleicht nicht unbedingt einen Grandseigneur als Eisenstein. Er spielt ihn aber mit viel Witz und singt ihn mit seinem prächtigen Bariton bis in tenorale Höhen. Regula Mühlemann singt, ja „zwitschert“ das Stubenmädel Adele, glockenrein, federleicht und koloraturensicher und spielt mit Charme sowie frechem Humor. Neben ihr verblasst Ileana Tonca als ihre Schwester Ida, obwohl sie sympathisch wirkt und gut singt. Okka von der Damerau als Prinz Orlofsky ist optisch und darstellerisch ein Mannweib zum Fürchten, es mangelt ihr jedoch nicht an Komik. Ihr liegt allerdings die Rolle zu hoch. Martin Häßler als eleganter Dr. Falke gefällt mit seinem weich timbrierten Bariton wie auch Michael Laurenz nach anfänglich unschönen Tönen als viel schmelzige Italianitá verströmender Sänger Alfred. Jochen Schmeckenbecher als Gefängnisdirektor Frank kann seine vielen komischen Momente köstlich und ungeniert auskosten. Dazu zappelt noch Robert Bartneck den Dr. Blind

Frei von Kitsch und Walzerseligkeit erlebt man das Orchester der Wiener Staatsoper unter Cornelius Meister, der auch mit den Sängern immer mitatmet. Unter seinem durchaus mit Energie gestalteten Dirigat bringt er die populäre, unwiderstehliche Musik sehr luftig und schwungvoll zum Klingen.

Von Altregiemeister Otto Schenk stammt die traditionelle, konservative Uralt-Inszenierung, die mit viel Tempo in den ästhetischen aber schon etwas verstaubt wirkenden Kulissen die Örtlichkeiten der Handlung sehr naturalistisch darstellend, gezeigt wird.

Traurig ist wieder einmal das Ende, weil wieder ohne Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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