Die „Barcarole“ erklingt jetzt am Rhein - Jacques Offenbachs: „Rheinnixen“ in Budapest

Xl_rheinnixen-budapest-rakossy-3-21 © Péter Rákossy

So mancher Zuhörer wird gleich irritiert gewesen sein. Denn wer hier gleich zu Beginn die vertrauten Klänge der „Barcarole“ vernahm und bisher der Meinung war, sie sei untrennbar mit Jacques Offenbachs Opernhit „Hoffmanns Erzählungen“ verbunden, wurde nunmehr eines Besseren belehrt. Denn der Schlager des französischen Komponisten hieß ursprünglich „Elfenlied“ und stammt aus den„Rheinnixen“.

Kaum zu glauben, dass es erst 2005 zur szenischen Welturaufführung dieser romantischen Oper „Les fées du Rhin“,so der Originaltitel der großen romantischen Oper in vier Akten, Charles Nuitter verfasste das französischsprachige Libretto, gekommen ist. Denn bei der Wiener Uraufführung 1864 wurde nur eine erheblich verstümmelte Version gezeigt. 140 Jahre mussten ins Land ziehen bevor nach umfangreichen Recherchen nach der Originalpartitur endlich die ursprünglich intendierte Fassung 2002 in Montpellier konzertant und erstmals 2005 szenisch in Ljubljana/ Laibach nach der neuen Offenbach-Editionin einer sehr märchenhaften Inszenierung zur Aufführung gelangen konnte.Diese Produktion wurde auch dann auch noch in Winterthur, St. Pölten und Bozen sowie in einer anderen Inszenierung in Trier gezeigt. Besonderen Anklang fanden dabei die Arien der Armgard.Jetzt wurde das Werk aus der Budapester Staatsoper als ungarische Erstaufführung gestreamt, wo diese Inszenierung schon 2018 Premiere hatte.

Der Grundtenor der Oper ist pazifistisch, womit er natürlich entfernt an Richard Strauss‘ „Friedenstag“ erinnert, denn in beiden Opern besiegt die Liebe schließlich die Schrecken des Krieges. Die Geschichte spielt zur Zeit der Ritterkriege 1522 in Deutschland. Conrad von Wenckheim und Hedwig haben eine gemeinsame Tochter Armgard, von der Conrad allerdings nichts weiß, weil er Hedwig schon vorher verlassen hat. Armgard ist mit Franz Waldung verlobt. Dieser hat sich jedoch als Hauptmann den Soldaten angeschlossen. Unter der Führung von Conrad erscheinen die Soldaten und verlangen von Armgard, für sie zu singen. Auch Franz ist dabei, erkennt aber aufgrund einer Verletzung und des damit verbundenen Gedächtnisverlustes seine Verlobte nicht mehr. Während Armgard das pazifistische Vaterlandslied, das sich wie ein Leitmotiv durch die Oper zieht, singt, stürzt sie als vermeintlich tot zu Boden. Nun will Hedwig sie mit Hilfe der Feen retten. Gleichzeitig bereiten Franz und Conrad einen Überfall auf Sickingens Ebernburg vor. Im Wald locken die Feen, die die Soldaten vom richtigen Weg ab. Hedwig und Conrad schließen miteinander Frieden und als ihre gemeinsame Tochter Armgard lebend erscheint, ist der glückliche Ausgang schon gesichert. Zudem reißen die Feen die Soldaten in den Abgrund. So sind nur die beiden Paare sowie Gottfried, ein Vertrauter Hedwigs, in Sicherheit. Zum Finale stimmen schließlich alle nochmals das „Vaterlandslied“ an.

Und man darf froh sein, dass der Dornröschenschlaf dieses Musikdramas endlich ein Ende gefunden hat. Denn zu hören ist ein lyrisches Meisterwerk, dessen Libretto sicherlich einige Schwächen aufweist, aber dessen Musik mit hinreißenden Ohrwürmern, voll Modernität, Spontanität, subtiler Ironie und dramatischer Stärke gewürzt ist. Das dies alles auch so richtig hörbar ist, dafür sorgt das Orchester der Ungarischen Staatsoper unter Gergely Kesselyák. Die Originalität und die dramatische Kraft, die großen Toneffekte und Szenen von aufregender Intimität sind fassettenreich und als wunderbares homogenes Klangerlebnis zu hören, wobei man in allen Gruppen auf exquisite Solisten zurückgreifen kann.

Gesungen wird unterschiedlich verständlich in deutscher Sprache (Deutsche Fassung: Alfred von Wolzogen): An erster Stelle zu nennen ist Bori Keszai, die kürzlich erst hier als Poppea reüssierte und die mit ihrem flexiblen, glockenreinen Sopran eine hinreißende Armgard singt und ihre höllischen Koloraturen auch bestens bewältigt. Andrea Ulbrich als ihre Mutter Hedwig verfügt über einen dunklen Mezzo. Bei den Herren dominiert der ungemein textverständliche Csaba Szegedi mit kernigem, resolutem Bariton, der auch darstellerisch die Wandlung des Conrad vom Kriegsherrn zum liebenden Vater glaubhaft gestaltet.  In der Rolle des Franz erlebt man Boldizsár László mit hellem, höhensicherem Tenor allerdings nicht in akzentfreiem Deutsch. Mit sonorem Bassbariton singt Istvan Kovács die etwas blasse Figur des Gottfried. Bestens einstudiert, was auch die deutsche Aussprache betraf, war der von Gábor Csiki geleitete Chor der Ungarischen Staatsoper.

Regisseur Ferenc Anger, der zuletzt mit den Inszenierungen von Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ (2016) und Richard Strauss „Ariadne auf Naxos“ (2013) für einiges Aufsehen an der Ungarischen Staatsoper gesorgt hatte, zeigt die Handlung, die zwischen Realität und Traum changiert und die einen pazifistischer Hochgesang darstellt, in dem die Liebe über den Krieg siegt, durchgängig auf einem Abschnitt einer Donaubrücke (Bühnenbild: Éva Szendrényi). Die Brücke endet abrupt, denn ein großes, für den Zuschauer nur zu erahnendes Loch, ist notdürftig abgesichert. Davor befindet sich offenbar ein tiefer, symbolträchtiger Abgrund. Der Regisseur versucht auch die kriegerische Handlung der Oper durch Ironie zu entschärfen und lässt die Soldaten mit Steinschleudern Krieg führen. Dazu spielen im Hintergrund erst Frauen Federball, dann sogar Soldaten, die vorher mit Vergewaltigungsversuchen ihr Kriegshandwerk untermalen. Magische oder märchenhafte Momente sind kaum auszumachen, auch nicht, wenn die weißgekleideten Elfen (Chor und Ballett) mit roten leuchtenden Halsbändern erscheinen.

Dr. Helmut Christian Mayer

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