„Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ in Linz: Musikalisch glutvolle Leidenschaft

Xl_bajazzo-c_herwig_prammer-linz-12-23-2 © Herwig Prammer

Untrennbar wie siamesische Zwillinge bilden „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo bis heute den künstlerisch gelungenen Beweis für den musikalischen Naturalismus, den Verismo. Jene in der wirklichen Welt der einfachen, oft bäuerlichen Menschen spielende Geschichten über Liebe, Hass, Eifersucht mit den blutvollen, populären Melodien liegen nicht nur zum Zeitpunkt der Uraufführung, sondern auch heute noch ganz oben in der Publikumsgunst so auch jetzt am Linzer Landestheater.

Das liegt einmal an Enrico Calesso, der im Bruckner Orchester Linz viel Leidenschaft zu zünden vermag: So lässt er es besonders aber nicht nur in den Intermezzi und in der Schlussszene schillern und funkeln und an subtilen, berührenden aber auch packenden Emotionen nicht fehlen. Merkliche Nuancen entstanden auch durch die unterschiedlichen Positionen das Orchesters - bei "Cavalleria" hochgestellt, für "Bajazzo" dann abgesenkt.

Das Sängerensemble führt Sung-Kyu Park an, in beiden Opern die tenorale Hauptpartie singend. Sein schmelziges Organ verfügt über  strahlende Höhen und scheint keine Grenzen zu kennen. Elena Batoukova-Kerl ist eine hochdramatisch kraftvolle, sehr präsente Santuzza, vermag aber auch mit herrlichem Mezza voce zu singen. Ilona Revolskaya hat für die Nedda eine zu leichte Stimme, der es immer wieder an Präsenz fehlt. Das gleiche gilt für Adam Kim, dessen Bariton sowohl für den Alfio und Tonio zu klein ist, wodurch er fallweise zum Forcieren gezwungen ist. Christa Ratzenböck beeindruckt als Mamma Lucia, Angela Simkin als Lola, Matthäus Schmidlechner als komischer Peppe und Martin Achrainer als eindringlicher Silvio.Nur fallweise außer Tritt sind die Chöre des Landestheaters (Chor, Extrachor sowie Kinder- und Jugendchor) in der Einstudierung von Elena Pierini sonst immer klangmächtig zu hören.

Regisseurin Alexandra Liedtke zeigt den Verismo auch ungemein packend fast wie in einem Thriller, besonders im Finale von „Pagliacci“, der auch insgesamt stringenter gelungen ist und topaktuell von einem Femizid handelt. In "Cavalleria" führt sie auch als stumme Rolle Lolas Sohn ein, der das Messer, mit dem sein Vater Alfio den Nebenbuhler Turiddu tötet, bewundernd an sich nimmt und so die blutige Problemlösungskompetenz „erbt“. Gezeigt wird dies alles in engen, verschiebbaren Guckkästen (Bühne: Raimund Orfeo Voigt), die offenbar die patriarchalischen, religiösen Zwänge symbolisieren sollen. Das bewirkt einerseits eine räumliche Distanz durch die Zwischenwände andererseits eine Verdichtung des Dramas aber auch und durch die von vielen Personen geschaffene, vollgestopfte Enge in heutigen Kostümen (Su Bühler) eine gewisse Statik, besonders beim Beginn von „Cavalleria“.  Hier erlebt man auch ein seltsames, sich stereotyp bewegendes Paar.

Kurzer, starker Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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