Bregenzer Festspiele: Jules Massenets "Don Quichotte" - eine Szenerie der Traurigen Gestalt

Xl_don_quichotte-bregenz-7-19-2 © Karl Forster

Zuerst kommt gleich einmal der erhobene Moralfinger im Zuge eines entbehrlichen Videos über die Männlichkeit und sexuelle männliche Übergriffe und wie Buben zu gewaltfreien Männern erzogen werden sollen, inklusive Werbung für Rasierutensilien. Dann schimpft, ebenfalls entbehrlich und unverständlich, ein „Störer“ im Publikum, dem vom Rang her mehrmals ein „Halts Maul“ zugerufen wird, was Applaus erntet. Ein traditionell maskierter Don Quichotte, ebenfalls aus dem Publikum, nimmt mit dem Störenfried, der sich als Schauspieler entpuppt hat, auf Theatersesseln auf der Bühne Platz. Endlich hebt die Musik an.

Mariame Clément, die von seltsamen Ideen nur so übersprudelt, zeigt dann den ersten und letzten Akt von Jules Massenet „Don Quichotte” bei den Bregenzer Festspielen im Festspielhaus als Theater im Theater: Sehr beliebig und nicht besonders neu. Die Szene (eine alte Dorfidylle) und die Kostüme sind traditionell (Ausstattung: Julia Hansen). Nach einer, so wie alle anderen, ewig langen Umbaupause, dann der Bruch: Wir sind im Heute angelangt und zwar in einem Badezimmer, wo sich der Titelheld duscht und rasiert. Dann beginnt er den Ventilator, der plötzlich riesig wird, mit Rasierschaum, Klobürste als Schwert sowie Klodeckel als Schild wie auch mit Klorollen und dem Duschschlauch zu bekämpfen. Mit Spiderman-Anzug gelingt es ihm im nächsten Akt, den Banditen, lauter Junkies vor einer tristen Graffitiwand, den Schmuck der Dulcinea abzunehmen. In einem modernen Büro folgt die Ablehnung des Heiratsantrags, Don Quichotte stirbt schließlich wieder im Theater im Theater in seiner Rüstung. Die französische Regisseurin, die schon im Theater an der Wien und an der Oper Graz inszeniert hat, zeigt den Plot in Episoden verschiedener Zeiten und Stile eines offensichtlich verrückten Träumers: Aber alles wirkt willkürlich konzeptioniert, mit peinlichen Witzchen und keinen Sinn, und kein Ganzes ergebend.

Entschädigend für dieses Regiewirrwarr sind die exzellenten Gesangsleistungen:  Wie wohl das Edle und Einfühlsame des von Miguel de Cervantes verewigten, verspotteten Träumer und Phantasten in dieser Inszenierung viel zu kurz kommt, erlebt man mit Gábor Bretz, in ständig wechselndem Outfit, einen sehr berührenden Titelhelden. Sein Bassbariton ist reich schattiert und er verfügt über ein nobles, warmes Timbre. David Stout ist ein kerniger und sehr wohlklingender Sancho. Anna Goryachova ist eine dunkelkolorierte Dulcinea, sehr kühl, distanziert und ohne Erotik. Alle kleineren Partien und der Prager Philharmonische Chor singen tadellos.

Den Wiener Symphoniker unter dem sehr brav agierenden Daniel Cohen fehlt es an Feuer und aufrauschender Dramatik. Die Lyrismen werden hingegen fein musiziert.

Trotzdem Jubel im Publikum und erstaunlicherweise keinerlei Missfallenskundgebungen!

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading