Bei der Styriarte, den steirischen Festspielen erklang ein entschlackter, ganz anderer "Fidelio" von Beethoven

Xl_fidelio-graz-styriarte-7-18-1 © Werner Kmetitsch

 

„Ich bin so glücklich hier in Österreich“, sagt die sympathische Alla Jerhade. Dann erzählt die 17-jährige Syrerin detailliert, wie das überfüllte Boot kurz vor der Küste im Mittelmeer gesunken ist. Sieben Videoeinspielungen von Flüchtlingen aus verschiedenen Länder, die in Österreich Zuflucht gesucht haben, mit teils erschütternden Einzelheiten über Folter, Gefangenschaft, Unrecht, Tyrannei und Willkür zeigt man bei der styriarte in der Grazer Helmut-List-Halle eingestreut in Ludwig van Beethovens „Fidelio“ zwischen den einzelnen Nummern und passend zur Handlung. Damit will Dramaturg Thomas Höft die Zeitlosigkeit der großen Revolutions- und Freiheitsoper, die seit mehr als 200 Jahren nichts von ihrer politischen Aktualität verloren hat, unterstreichen. Dazu hat er auch noch die unsäglich antiquierten Dialoge radikal gestrichen, erklärt durch überleitende Worte den Plot, nützt diese auch zu klugen politischen Statements und ist auch für die halbszenische Inszenierung mit angedeuteter Handlung verantwortlich. Um eine gewisse Gleichheit zu erzeugen sind alle Protagonisten, Chor, Orchester und Dirigent mit Kostümen aus blauem Jeans-Stoff (Lilli Hartmann) ausstaffiert. Und lässt so die Botschaften des Werkes, die Befreiung von Unterdrückung und den Triumph der Menschlichkeit stark ausklingen.

Musikalischer, exzellenter Motor des Ganzen ist Andrés Oroczko-Estrada mit einer sehr sensiblen, aber auch erregten, frischen Interpretation. Sängerfreundlich, akzent- und farbenreich musiziert das Styriarte-Festival Orchester unter seiner engagierten Leitung.

Von den stimmlichen Leistungen ist man beeindruckt sein: Ein Prüfstein für alle dramatischen Soprane ist die Rolle der Leonore. Johanna Winkel, eingesprungen für Dorothea Röschmann, bewältigt sie abgesehen von einigen wenigen Schärfen, alle hohen Anforderungen dieser diffizilen Partie, weiß mit ihrem schlanken Sopran und dramatischer Attacke zu beeindrucken. Leider fällt Johannes Chum allzu lyrischer Florestan hauptsächlich durch Intonations- und Höhenprobleme auf. Warm und kultiviert erklingt der Rocco des Thomas Stimmel. Jochen Kupfer ist ein extrem bösartiger Don Pizarro. Wunderbar erklingt der lyrische Sopran der Tetiana Miyus als Marzelline, fein ist der Jaquino des Jan Petryka, edel der Don Fernando des Adrian Eröd. Stimmgewaltig singt der Chor.

Großer Jubel!

Helmut Christian Mayer

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