Ambivalentes "Lied von der Erde" von Mahler bei den Salzburger Festspielen

Xl_orf-radio-wien-nagano-beczala-baumgartner-8-20-marco-borrelli-1 © Marco Borelli

1907 war für Gustav Mahler ein Jahr der persönlichen Katastrophen: Aufgabe des Staatsoperndirektors, plötzlicher Tod der Tochter Maria Anna und Diagnose eines schweren Herzleidens. Unter diesem Eindruck schuf der Komponist „Das Lied von der Erde“, basierend auf altchinesischer Lyrik. Jetzt erklang dieses Spätwerk mit kammermusikalischer Strukturierung, diese groß angelegte, sechsteilige Symphonie mit Singstimmen, geprägt von einer hochexpressiven Auseinandersetzung mit dem Tode bei den Salzburger Festspielen in der Felsenreitschule.

Als einer der Gesangssolisten war kein Geringerer als Piotr Beczała aufgeboten: Der ponische Startenor wusste seinen Part packend, hochemtional, immer höhensicher und auch ungemein textverständlich, insbesondere beim „Trinklied vom Jammer der Erde“ zu gestalten. Ziel- und innerer Höhepunkt ist der gleich die Hälfte des Werkes beanspruchende Schlusssatz „Der Abschied“: Dieser von einem trauermarschähnlichen Orchesterzwischenspiel unterbrochene Gesang ist die Klage eines Einsamen, die sich immer mehr verdichtet. Mit inbrünstigem Espressivo, starker Verinnerlichung, allerdings zu wenig verständlich wurde er von Tanja Ariane Baumgartner, die bei den Festspielen auch in der Oper „Elektra“ von Richard Strauss als Klytämnestra erfolgreich zu hören ist, mit ihrem dunklen, runden, kraftvollen Alt gesungen. Den anspruchsvollen Orchesterpart dazu gestaltete das ORF Radiosinfonieorchester Wien unter Kent Nagano. Diesem gelang es jedoch trotz großer und vieler Gesten nicht, diesen ausreichend zu gestalten. Es fehlte an Spannung aber auch an Feinheiten.  Warum allerdings dann noch vor dem „Abschied“ der Pianist Till Fellner die nur wenige Minuten dauernden Klavierminiaturen „Sechs kleine Klavierstücke“ von Arnold Schönberg spielen musste – was ihm übrigens ganz vortrefflich gelang - blieb unerfindlich und störte bzw. unterbrach eigentlich nur den Gesamtduktus und die Geschlossenheit des monumentalen Werks von Mahler.

Trotzdem Riesenapplaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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