Zaza eine gelungene Wiederbelebung mit wenig Potenzial am Theater an der Wien

Xl_zaza_001 © Theater an der Wien

Vergessen schlummert Zaza, eine Commedia lirica aus dem großen Schaffen von Ruggero Leoncavallo. Nur sein Einakter „Pagliacci – Der Bajazzo“ konnte die Spielpläne der großen Opernhäuser nachhaltig erobern und besiegelte den Ruhm seines Schöpfers. Derweil komponierte er fleißig und zeichnet sich auch als talentierter Librettist aus. Diese Gabe teilt er mit Richard Wagner, mit dem er während seines Aufenthaltes in Paris von 1882-1886 Kontakt hatte. In Paris lernte er auch die Welt der Variete kennen. Wie schon im früher entstandenen Bajazzo greift er auch in seiner Oper Zaza auf eine Handlung im Theatermilieu als Abbild der Welt zurück. Zaza ist eine gefeierte Varietetänzerin in einem Paris Vorort, die sich in den vermeintlich ehrbaren Milio heftig verliebt. Sie erfährt von dessen bürgerlichen Leben in Paris mit Frau und Kind. Kämpferisch macht sie sich auf den Weg nach Paris. Von der ehrlichen Vaterliebe der Tochter Toto berührt, erlebt sie ihre eigene zerrüttete Jugend wieder und beschließt Milios Familienglück nicht zu zerstören und gibt ihn frei.

Der erwartete Selbstmord fällt aus, wir sehen keine Tragödie wie in traditioneller Oper zu erwarten

Die Regiearbeiten von Christof Loy sind geprägt von seiner Psychoanalyse der Charaktere und auch hier baut er ein Bild um die bürgerliche Doppelmoral. Selten werden in der Opernliteratur soziale Differenzierungen so prägend herausgearbeitet wie in diesem Werk. Die ehrbare Varietetänzerin mit verruchtem Ruf gegenüber dem ehrbaren Bürger, der Frau und Kind vernachlässigt und sich in zwielichtigen Etablissements bewegt. Geschickt schafft Raimund Orfeo Voigt eine Theaterwelt im Theater und bringt die nüchterne sehr geordnete Hinterbühne und Garderobe des Variete auf die Bühne des Theaters an der Wien. Ohne Umbauzeiten und Pausen dreht sich das Bühnenbild und wir erleben verschiedene Handlungsorte im Fluß.  Herbert Barz Murauer schafft zeitlos moderne Kostüme mit nötiger Eleganz und einen Schuß Coco Chanel. Das Künstlerleben ist lebendig, trotz Corona tummeln sich einige Statisten, der Arnold Schönberg Chor singt aber aus dem off.

Erstmals zu Gast am Theater an der Wien ist die junge Russin Svetlana Aksenova, die bereits an vielen großen Häusern erfolgreich aufgetreten ist. Auch hier überzeugt sie insbesondere mit ihrem unbekümmerten lockeren Spiel. Keck aber frivol, immer mit dem richtigen Schuss Sex Appeal bringt sie eine überzeugend gefühlvolle und ehrbare Zaza, die zuletzt als wahre Heldin die Sympathien einsammelt. Stimmlich steigert sie sich, öffnet sich und mischt Farbe und feine Nuancen in ihren sicheren Gesang. Umfangreich ist die Partie und geschickt setzt sie ihre Stimme und Energien bis zum Ende ein.

Anders ergeht es ihrem Partner Nikolai Schukoff in der Rolle des Milio.  Von Beginn kämpft er, setzt viel Kraft ein, die ihm zum Ende hin fehlt. Die Spitzentöne sind ein Hauch und unsicher, bis er dann ganz verblasst. Das wirkt sich auch in einem hölzernen Spiel aus. Hier hätte eine bessere Besetzung dem Werk zusätzliche Spannung vermitteln können. Christopher Maltman überzeugt wiederum in der Rolle des Cascart, dem ehemaligen Geliebten Zazas und jetzt Partner und Manager. Ihm ist es auch erlaubt in einer der wenigen Arien in dieser Oper aufzutrumpfen und romantischen Schmelz auszukosten. Enkelejda Shkosa gelingt es nicht, ein klares Rollenbild von Zazas Mutter Anaide zu prägen, dies liegt auch an der Zeichnung durch die Regie. Dem Alkohol erlegen ist sie auf der Bühne gescheitert und wird von Zaza liebevoll unterstützt. Julie Mars ist Zazas Freundin und auch helfende Hand in der Garderobe. Vornehm wohlerzogen zurückhaltend gestaltet sie einen ausgeglichenen Gegenpol zur impulsiven verletzlichen Zaza.

Den eigentlichen Verursacher des Unheils, der durch eine Wette Zaza in die Arme Milios treibt ist der Journalist Bussy. Tobias Greenhalgh aus dem Ensemble des Theaters bleibt farblos in der Rolle und versprüht wenig Gift.

Stefan Soltesz versteht sein Handwerk am Pult des ORF Symphonieorchester und ist unermüdlich bemüht aus der Partitur Verismo Zauber heraus zu kitzeln. Es gelingt ihm in den zwei Stunden große Hörerlebnisse zu gestalten, legt einen breiten Klangteppich unter die Stimmen und führt diese souverän mit gut dosierter Orchesterbegleitung. So wird es zwar eine spannende musikalische Begegnung, die auch von der gelungenen Regiearbeit und der Leistung aller Beteiligten lebt, aber eine nachhaltige Entdeckung wird es wohl nicht werden.

Das Publikum ist hin und mitgerissen und leistet großen Beifall.

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