
Armenian National Philharmonic Orchestra Eröffnung 17. International Yerewan MusicFestival 19.9.2025
Yerewan Festival - Start im Dunkeln mit strahlendem Ende
Kurz vor Beginn des Eröffnungskonzertes des 17. International Yerewan Music Festival entladen sich schwere dunkle Wolken über der Hauptstadt der seit 1991 unabhängigen Republik Armenien zwischen kleinem Kaukasus und dem mächtigen geschichtsträchtigen Ararat gelegen. Dort soll die Arche Noahs nach der Flut gelandet sein.
Fluten schlängeln sich durch die breiten Straßen der zu Beginn des 20. Jahrhunderts großzügig angelegten Stadt. Im Zentrum steht das Opern- und Konzerthaus, zwei große Säle umfassend, das aktive Kulturleben der Stadt prägend. Ein Stromausfall, dem Gewitter folgend lässt das prächtige Haus im Dunkeln. Unbekümmert mit guter Laune bahnt sich das Publikum mit Handytaschenlampen den Weg in den gespenstisch anmutenden Gängen und Foyers. Ein paar batteriebetriebene Kerzen am Boden beleuchten stimmungsvoll den Zuschauerraum.
Auf der Bühne, zum Glück, haben die Musiker, wie auch immer, funktionierende Lämpchen am Notenständer. Mit Verspätung erscheint Pietari Inkinen am Pult. Es ist sein erster Auftritt in Armenien, seine Anerkennung für die Musiker hat der sympathische Finne bereits in der Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht. Das finnische Nationalepos Finlandia von seinem Landsmann Jean Sibelius steht am Beginn des Konzertes. Das Werk steht für die junge Unabhängigkeit und die nationale Identität seines Landes, parallelen zum Gastgeber Armenien. Nach kleinen Ungereimtheiten zu Beginn, der Ausnahmesituation geschuldet, blühen magisch aus dem Dunklen die ehrwürdig strotzenden Melodien auf, von Fanfaren der strammen Bläser getragen. Die elegische Einleitung wandelt sich zum mitreißenden Aufbegehren. Die Orchestermusiker folgen konzentriert, spielen akzentuiert und von Inkinen inspiriert.
Mit Sergey Khachatryan tritt ein international gefeierter, aus Armenien stammender Solist im folgenden Violinkonzert von Jean Sibelius auf. Im zweiten langsamen Satz gelingt dem virtuos und hingebungsvoll spielenden Geiger den Saal zu bezaubern. Mit zartem Strich, innigen Ausdruck und feinst ausgereizter Interpretation entführt er die Zuhörer in eine entrückte Welt. Ein kräftiger Zwischenapplaus zollt Anerkennung. Im Finale, mittlerweile ist der Strom zurückgekehrt, zeigt er technische Klasse mit feinnervigen Gefühlen im hell ausgeleuchteten Saal. Mit zwei Zugaben, Werke armenischer Komponisten dankt er seinen begeisterten Landsleuten im ausverkauften Haus.
Klassische Musik ist in dem kleinen Land seit der Sowjetzeit ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und Ausbildung, zahlreiche Musiker und insbesondere Sänger bezeugen mit internationaler Karriere die Qualität der Ausbildung. Seine Qualität bezeugt auch das Armenian National Philharmonic Orchestra, ebenfalls ein Aushängeschild im symphonischen Abschlusswerk des Abends. Mit der ersten Symphonie von Gustav Mahler steht ein anspruchsvolles großes symphonisches Werk im Fokus mit großer Besetzung. In allen Instrumentengruppen ist eine hohe Qualität und Sicherheit zu spüren und zu hören. Es ist gelungen in den letzten Jahren durch internationale Lehrer gerade im Bereich der Bläser große Fortschritte zu machen. Gehaltvoll, treffsicher und locker vom Forte bis ins Piano bestreiten diese ihre mannigfaltigen Einsätze. Die Streicher klingen voll, klar und nuanciert von fest bis fein geführt. Inkinen entlockt den Musikern viel Farbe, Schwung und Dynamik. Sensibel arbeitet er an vielen Details, entwickelt mit Verve die monumentalen Steigerungen, um diese dann unvermittelt gefühlvoll aufzulösen. Mahler gab seinem Werk für kurze Zeit den Beinamen Titan, ein Vorgriff auf das mächtige symphonische Werk des Spätromantikers, der die Moderne einläutet.
Großer Jubel und stehender Beifall, eine wohlverdiente Anerkennung für Dirigent und die Musiker.
Copyright Maria Vartanyan
Dr. Helmut Pitsch
23. September 2025 | Drucken
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