Würdig feierlicher Abschied von Christian Thielemann, eine neue Ära beginnt bei den Osterfestspielen

Xl_8aa06947-4d81-46fc-b302-6bd4ea2c7cd1 © Ofs Erika Meyer

Osterfestspiele Salzburg Sächsische Staatskapelle Dresden Christian Thielemann 

Chrokonzert 12.4.2022

Wahrlich aus dem Nichts erklingen die Bläser. Christian Thielemann wedelt leicht mit den Händen. Das Pianissimo will er auskosten. Es bleibt mystisch, eine Naturstimmung erglüht, die Streicher nähern sich ebenso auf leisen Sohlen. Wie ein Baumeister setzt der gefeierte deutsche Dirigent die Stimmen und Motive zusammen, lässt die Lautstärke anschwellen ohne zu Dröhnen oder zu erschlagen. Die Sächsische Staatskapelle folgt ihm und versucht seine Andeutungen und Zeichen umzusetzen. Es ist dies die 10. Saison der Osterfestspiele Salzburg, die sie gemeinsam bestreiten. Nun auch die Letzte und dies der letzte Abend des ersten Zyklus. Ein Grund hier mit großer Symphonik nochmal das Können unter Beweis zu stellen.

Anton Bruckner ahnte, dass seine neunte Symphonie seine letzte sein werde. Schwer krank und angeschlagen arbeitete er mehrere Jahre fieberhaft an der Partitur. Er wählte wie Beethoven d moll als Tonart. Sein Leben war geprägt von tiefer Frömmigkeit und einer einfältigen Bescheidenheit. In Wien war er nie wirklich glücklich angekommen, investierte seine wenigen Mittel in die Aufführung seiner Werke, die zu Lebzeiten kaum Beachtung und Akzeptanz fanden. Seine Verehrung für Wagner wurde ihm angekreidet. Seine neun Symphonien haben heute ihren Stellenwert eingenommen und sind schöpferische Höhepunkte in der Musikgeschichte. Die Bedeutung Bruckners für die Weiterentwicklung der Musik aus der Romantik in die Moderne ist unbestritten.

Der begnadete Organist Bruckner durchdrang die Werke Bachs. In deren Kenntnis schuf der Chromatiker Bruckner seine Symphonien nach den geltenden Regeln der Klassik und geriet an deren kompositorische Grenzen. Tiefgehend sind seine Themen, vielfältig seine Kreativität und meisterhaft seine technischen Fähigkeiten Melodik, Harmonie und Rhythmik zu verknüpfen. Dafür steht auch seine neunte Symphonie, die mit drei Sätzen unvollendet blieb und doch so vollendet klingt. Keinem Geringerem als dem Allmächtigen „dem lieben Gott“ gilt die Widmung.

Mit vollem Einsatz erlebt der Zuhörer das Orchester und den Dirigent, die in jedes Detail einsteigen und zum Erklingen bringen. Ausgefeilt ist die Modulation der Tempi, die Steigerungen des Volumens. Pausen werden fühlbar und Melodien ausgereift, ja in der Spannung ausgereizt. Der Kopfsatz gelingt feierlich aber behält eine Leichtigkeit. Das Scherzo verweilt luftig lebhaft. Phantasievoll setzt das Trio zum Gegensatz an. Durchdringend kommt das Adagio zur Geltung und verklingt im Nichts des Kosmos.

Christian Thielemann weiß die Stärken des Werkes in Szene zu setzen und lässt diese ausgiebig wirken. Er führt die Musiker mit sicherer und strenger Hand, klar sind seine Wünsche, unmittelbar die Nuancierung. Eine überzeugende, bewegende emotional berührende Interpretation zieht den Saal in seinen Bann, bevor seine Hände am Ende sinken. Lang verweilt das Publikum in andächtiger Stille. Dann genießt er den jubelnden Applaus seiner Fans. Bevor das Te Deum als Abschluss der neunten Symphonie wie von Bruckner bestimmt erklingt besticht der Chor des Bayerischen Rundfunks in der Einstudierung von Howard Aman mit der Motette Vexilla regis nach einer Pause. Das a capella Werk verbirgt die ungemeinen Anforderungen an die Sänger hinter einer leichten anmutig angesetzten Melodieführung. Die Vielstimmigkeit fügt sich plastisch zusammen. Es ist Anton Bruckners letzes geistliches Werk und passt so gewählt in den Ablauf.

1885 erklang das Te Deum mit Klavierbegleitung erstmals im Wiener Musikverein. 1886 erklang es erstmals mit Orchester. Bruckner mochte dieses Werk sehr und ordnete es sebst als vierten Satz und Schluss seiner unvollendeten neunten zu. Musikalisch fügen sich diese Werke gut zusammen und die Parallelität zu Beethovens Neunter ist frapant wie beabsichtigt. Mächtig ist der Einstieg, die Botschaft des Chores ist klar. Hier spricht Verehrung von etwas Großem. Die vier Gesangssolisten verbinden sich mit der Apotheose. Camilla Nylund führt ihren Sopran zurückhaltend lyrisch, Elena Zhidkova verbleibt zurückhaltend, Saimir Pirgu kostet seine lyrischen langgezogenen Melodiebögen aus und öffnet seinen hellen samt timbrierten Tenor. Franz-Josef Selig setzt einen eleganten Bass mit vollem Klang dagegen.

Die grosse Begeisterung im Saal nach dem die letzten Töne eindringlich verhallt sind wird von Nikolaus Bachler, dem neuen Intendanten der Osterfestspiele für die Verleihung des Herbert von Karajan Preises an die Sächsische Staatskapelle unterbrochen. Dss Orchester wird für seine langjährige Mitwirkung bei den von Karajan ins Leben gerufenen Osterfestspielen gewürdigt. Arabel Karajan verleiht herzlich und sehr persönlich in Ihren Worten den Preis. Das Orchester widmet diesen der Jugendförderung.

Dr. Helmut Pitsch

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