Wiedersehen der Sterne - Mailänder Scala eröffnet die Saison mit rauschender Gala ohne Zuschauer

Xl_riccardo_chailly_conducting_the_national_anthem_sept_7_2019_ph_brescia_e_amisano__002_ © Teatro alla Scala

Die Eröffnung der neuen Saison des traditionsreichen Mailänder Opernhauses dem Teatro alla Scala ist das alljährliche Kultur- und Gesellschaftsereignis Italiens. Der Staatspräsident sitzt üblicherweise in der Königsloge, das erlesene Publikum in eleganten Roben stimmt die Hymne an und alles glitzert auf Hochglanz für die Kameras, die in den letzten Jahren das Ereignis und die Premierenaufführung in die Welt übertrugen. Doch heuer ist alles anders. Der prachtvolle Zuschauerraum ist leer, kein Präsident und keine Premiere. Dafür viel Eleganz und feinste Stargesellschaft auf der Bühne und ein Orchester mit Maske.

Das Opernhaus eröffnete diese denkwürdige Saison im Lockdown mit einer geschmackvollen aufwendigen Gala mit den besten Opernsängern unter dem Titel ‚a riveder le stelle‘. Dem Ganzen verleihen die ortsansässigen Modehäuser noch den letzten optischen Schliff, indem sie insbesondere die Sängerinnen in geschmackvollen, ideen- und farbenreichen Roben ausstatten. Dazu wird die Bühne intelligent und ebenso stil- und stimmungsvoll gestaltet. Halbszenisch wirken die dargebotenen Ausschnitte aus verschiedenen italienischen Opern, zum Teil unter Einbezug von Statisten und Requisiten. Die Regie des Abends hat Davide Livermore übernommen. So wird der Abend für Ohr und Aug zum Erlebnis. Zwischen einzelnen Gesangsnummern formulieren Schauspieler überleitende Texte. Die gesprochene Sprache wird zur Melodie und Gefühlswelt.

Luca Salsi als Rigoletto wird mit venezianischen Maskenträgern begleitet, Don Carlo wird in einen durch die Winterlandschaft fahrenden Zug verlegt, man fühlt sich bei Dr. Schiwago wenn Ildar Abdrazakov als Philip seine große Arie im Pelzmantel im Zugabteil abstimmt oder Ludovic Tezier nach berührender Darbietung als Posa am Bahnsteig erschossen wird. Elina Garanca bietet noch in perlenbesetzter Robe die schmissige Arie der Welt, „o don fatal“ der Eboli mit sauberen Registerwechsel und verführerischer Tiefe.

Lisette Oropesa führt Lucia an den Strand, die Brandung ist nahezu fühlbar auf großer Leinwand eingespielt. So geht es weiter in stimmungsvollen Bildern, die Damen in verführerischen Roben, die Herren in bestens sitzenden Fracks. Kristine Opolais als Madame Butterfly, Andreas Schager und Camilla Nylund als Siegmund und Sieglinde, Juan Diego Florez, Aleksandra Kurzak, Piotr Beczala, Benjamin Bernheim und viele weitere bestreiten den Abend und überschütten wahrlich mit Meisterleistung und bezaubernden Arien das Publikum am Bildschirm. Riccardo Chailly führt mit Maske das Orchester der Mailänder Scala mit Raffinesse und Umsicht und drängt sich nicht in den Vordergrund.

Dieses großartige und mühevoll zusammengesetzte Programm lässt die Einschränkungen und Entbehrungen der letzten Wochen vergessen und ist eine würdevolle Eröffnung. Hoffen wir, dass möglichst bald das Haus wieder lebendig wird und das begeisterte Publikum die Plätze und die Künstler die Bühne füllen dürfen.

 

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