Weiter geht es mit Koffern, Unterwäsche und Klavier, aber weniger Klamauk im neuen Ring in Berlin

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Richard Wagner Siegfried Deutsche Oper Berlin 19.11.2021

Weiter geht es mit Koffern, Unterwäsche und Klavier, mit weniger Klamauk im neuen Ring der Deutschen Oper Berlin

Hoch sind die bereits aus den Vorabenden bekannten Koffer gestapelt. Es herrscht eine dunkle trübe Stimmung. Wotan und Alberich, nunmehr platt und unverständlich geschminkt als Joker wie im gleichnamigen US amerikanischen Spielfilm, treffen zum musikalischen Vorspiel aufeinander. Ihr Streit um die Macht wird symbolisch fortgeführt. Dann fährt aus dem Boden die Höhle Mimes hoch. Blasinstrumente hängen von der Decke und Siegfried treibt stürmisch Alberich als Beute anstatt des üblichen Bären in die gute Stube. Mittelalterlich mutet sein sackartiges Kostüm mit Gürtel und Fellüberwurf an. Horn und Schwert in der Hand. Mime sucht sich im Wagnerkostüm zu orientieren. Wotan in Gestalt des Wanderers ist gealtert. Mit Bart, Hut und Mantel kommt es zu einer statischen Rätselstunde. Aus dem ebenso wiederkehrenden Klavier lodern die Flammen hoch zum Schmiedelied. Der Amboss bleibt am Ende heil.

Sehr imposant gestaltet ist die Höhle Fafners. Unter dem, die gesamte Bühne umspannenden Kofferfeld sind die Bewegungen des Wurms zu erahnen. Dann tauchen zwei große Augen darin auf und ein gefährliches Maul mit glänzenden Zähnen erscheint an der Bühnenrampe. Dahinter bewegen sich weiße Gestalten mit weißen Tüchern. Fafner entsteigt in der auch wieder obligaten Unterwäsche aus dem Maul und wird von Siegfried erstochen. Der Waldvogel erscheint in Gestalt eines Mitgliedes des Kinderchores Dortmund leibhaftig auf der Bühne, ebenso in Unterwäsche.

Stimmungsvoll entwickelt sich das Waldweben mit einer Videoprojektion auf das wiederum über die Bühne gespannte große weiße Tuch. Siegfrieds Mutter und Vater - Imagination erscheinen lebendig als Engeln mit großen weißen Federflügeln. Die Begegnung Erda - Wanderer wiederholt sich szenisch bekannt. Brünnhilde wird eher unspektakulär wachgeküsst, das Liebesspektakel vollbringen zahllose Statisten geschlechterübergreifend. Abgestoßen wendet sich das Heldenpaar ab. Der Zauber der Liebe geht den Beiden verloren.

Stefan Herheim und sein Team bleiben ihrem Regiekonzept ohne Brüche treu. Ruhiger wird das Bühnengeschehen, Statisten tauchen in geringer Zahl und Häufigkeit auf, dem Handlungsfluß kann der Betrachter so gut folgen. Die Konflikte und Beziehungen der Personen sind in der Personenführung gut herausgearbeitet. Musikalisch gelingt es im Siegfried wieder Bühnengeschehen und Graben gut zusammen zu führen. Die ausgeführte detaillierte Auflistung der Instrumente und melodischen Stimmführungen im Orchester vermittelt einen leichten oftmals kammermusikalischen Charakter. Selten baut sich voluminöser Orchesterklang auf. Die Sänger werden getragen und mit sanftem Druck geführt.

So gelingt Clay Hilley eine eindrucksvolle Leistung als Titelheld. Sein Tenor zeigt eine kräftige Mittellage bis zum Ende, sich in der Höhe verdünnend. Mit sympathischen Spiel und Eifer kommt er über seine unglückliche Kostümierung hinweg. Ya Cung Huang gestaltet Mime als gefährlich berechnenden buckeligen Gnom. Stimmlich bestens vorbereitet erfreut auch seine klare Sprache und Verständlichkeit. Iain Paterson kehrt als Wanderer unscheinbar wieder und nimmt im Spiel keine zentrale Rolle ein. Stimmlich ist er sicher und kräftig. Jordan Shanahan gefällt als Alberich in jeder Hinsicht. Er schleicht umher und wirkt omnpräsent. Dazu verfügt der Hawaianer über einen wohltimbrierten dunkel unterlegten Bariton. Ebenso wirkungsvoll der kurze Auftritt von Tobias Kehrer als müder Wurm und gefallener Fafner. Judit Kutasi lässt als Erda ebenso keine Wünsche offen. Zur Schlusszene ist Nina Stemme sofort gefordert. Schnell wachgeküsst geht es in den anspruchsvollen Schlussgesang mit ihrem Helden Siegfried. Brünnhilde gehört zur Zeit zu ihren großen Partien an den meisten Opernhäusern. Ihr Sopran ist unverändert kraftvoll und breit angelegt. Die Spitzentöne schimmern mitunter metallen scharf. Kunstvoll gelungen ist die Auagestaltung der Rolle des Waldvogels die der Junge Sebastian Scherer aus dem Knabenchor Dortmund nervenstark meistert. Wie ein Routinier sitzt, wandelt und spielt er auf der Bühne. Sein heller höhensicherer Sopran gibt dem Ganzen die besondere Note und Klangfärbung.

Begeisterter Jubel beim mitgerissenen Publikum

Dr. Helmut Pitsch

Photo Deutsche Oper Berlin Bernd Uhlig

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