Warten aus verschiedenen Blickwinkeln alt und neu - Oper und Schauspiel in München

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Claudio  Monteverdi Il Ritorno d‘Ulisse/ Joan Didion Das Jahr des magischen Denkens - Schauspiel  Cuvillestheater München 11.5.2023

Warten aus verschiedenen Blickwinkel alt und neu zusammengeschweisst - Oper und Schauspiel in München

Die Ja, Mai Festspiele, 2022 von Intendant Serge Dorny ins Leben gerufen, sollen frühes und zeitgenössisches Musiktheater verbinden. Zum diesjährigen Leitmotiv Warten, dem Vergehen von Zeit und dem Loslassen hat sein dramaturgisches Team eine Zusammenführung zweier im Thema verwandter Kunstwerke aus der Renaissance und der Moderne in Auftrag gegeben.

In enger Zusammenarbeit haben Regisseur Christopher Rüping und der Dirigent Christopher Moulds Claudio Monteverdis Spätwerk Il Ritorno und das Schauspiel der 2021 verstorbenen US Amerikanerin Joan Didion, 2005 aus ihren Memoiren entstanden, zu einer abendfüllenden Veranstaltung zusammengefügt. Der Komponist vertonte das 20 Jahre lange Warten Penelopes auf ihren Gatten Ulisse/Odysseus, ihren antagonistischen Gefühlen des möglichen Verlustes. Die Schriftstellerin verarbeitete ihr Trauerjahr nach dem plötzlichen Tod ihres Gatten.

An beiden Bühnenwerken wurden behutsam Kürzungen vorgenommen und dramaturgisch mit Geschick und Kompetenz ineinander verwoben. Wir erleben auf der hell ausgeleuchteten leeren Bühne des prachtvollen barocken Cuvillestheaters den Tod des Ehemanns am Esstisch im Erzählstil von zwei Schauspielerinnen und einem Schauspieler, dessen englische Sprachfärbung zusätzlich reizvoll klingt. In den Trauermonolog der Witwe steigt Penelope mit ihrem Klagelied ein und die Oper übernimmt. Melanto versucht die treue trauernde Penelope zu einer Verbindung zu überreden und zeigt in ihrer Beziehung zum werbenden Eurimaco ihre Lebensfreude. Dazu verwandelt Jonathan Mertz die Bühne ganz im Stil der Barockoper, indem verschiedene bunte Bühnenbilder heruntergelassen werden. Dazu erscheinen auf einem großen Bildschirm wogende Wellen in gleißendem Sonnenlicht. Odysseus kehrt im Pakt mit der Göttin Minerva als Greis verwandelt unerkannt an den Hof zurück. Von seinem Hirten aufgenommen, von seinem Sohn Telemaco erkannt, gewinnt er den von Penelope initiierten Wettbewerb im Bogenschiessen. Nochmals kehren wir zum Stück Didions zurück und tauchen in den Monolog des Loslassens, das allmähliche schwammige Vergessen und die Schmerzen des Erinnerungsverlustes. Es fließen Tränen.

Beeindruckend ist die reibungslose Verschmelzung und das Gespür die beiden Texte zu verbinden. Darstellerisch schlüpfen Sänger in die Schauspielebene, wenn Melanto und Eurimaco nahezu natürlich zu John und Joan als Hochzeitspaar werden oder Ulisse zu John und zurück. Wieder wird auch mit Kamera und Großprojektion auf den Bildschirm gearbeitet, diesmal als Verstärkungselement des gesprochenen Textes nachvollziehbar. Wohldosiert sind die Bewegungen und Effekte, auch die Komik kommt nicht zu kurz und erfrischt die Schwere angenehm, wenn die drei Freier zu Tanz und Musik auffordern oder die Fahnen mit dem Bildnis von Ulisse und Sohn gehisst werden.

Musikalisch führt und entführt Christopher Moulds mit seinem Kammerorchester bestehend aus dem Montiverdi Continuo Ensemble und Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchesters mit Donner und Windmaschine in die barocke Klangwelt. Im Tempo frisch und munter nicht gehetzt, so bleibt Verständlichkeit und leichte Stimmführung auch in den Koloraturen gesichert. Die Sängerbesetzung sichert ein glanzvolle Widergabe des Werkes von Monteverdi. Kristina Hammerström verkörpert eine statisch trauernde Penelope, deren Stimmfärbung dies auch unterstützt. Einen kräftigen flexiblen leicht führbaren Sopran besitzt Xenia Puskarz Thomas, die als Melanto und Minerva überzeugt. Charles Daniels ist ein reifer konzentrierter Ulisse, der jeden Ton klar ansingt, fein modelliert und so zu einer besonderen Ausdruckskraft kommt. Granit Musliu ist ein frischer jugendlicher Telemaco, sicher im Gesang. Aleksey Kursanov zeigt sich als talentierter Sänger Barocker Stimmführung in seiner Präsentation des Hirten Eumete.

Kurzweilig packend vergehen die zwei Stunden des Wartens und am Ende lassen die Zuschauer im ausverkauften Haus ihrer Begeisterung freien Lauf. Das anspruchsvolle Projekt ist gelungen.

Dr. Helmut Pitsch

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