Wagner in Zeiten der Pandemie Madrider Oper meistert mit Bravour live Opernerlebnis

Xl_siegfried_0113x__002_ © Javier de Real

Wagner in Zeiten der Pandemie Madrider Oper meistert mit Bravour live Opernerlebnis

Während die Politiker in zahlreichen Ländern den Kulturbetrieb planlos zusperren, zeigen die spanischen Behörden Mut und Aufgeschlossenheit für engagierte Hygiene- und Sicherheitskonzepte der Veranstalter. Das Teatro Real in Madrid steht in engem Kontakt mit einem Mediziner Beirat, investierte in eine moderne Entlüftungsanlage und stellte zusätzliches Personal für den Ablauf ein. So können bis zu 65% der 1870 Sitzplätze jeden Abend verkauft werden. Und das Publikum nimmt die Chance war. Alle Vorstellungen sind ausverkauft, so auch die Aufführungen von Richard Wagners Siegfried. Das Theater hat den Ringzyklus in der Regie von Robert Carsen von der Oper Köln aus den Jahren 2000-2003 übernommen.

Der Regisseur apostrophiert in seiner Umsetzung den Untergang, den Verfall der göttlichen Macht in einer vergänglichen Umwelt. Mime haust in einem in die Jahre gekommenen Wohnwagen in einer verwahrlosten Gegend. Seine Schmiede sind ein paar Eisenkästen und eine Tonne. Bleche ersetzen den Blaseblag. Wäsche hängt zwischen entlaubten Bäumen. Siegfried strotzt in der häufigen Camouflage Uniform, der Wanderer wirkt im eleganten dunklen Mantel mit Hut wie ein hierher Verirrter. Fafners Höhle befindet sich in einem abgehozten Forst, Alberich wartet dem Alkohol erlegen wie ein Penner auf seine Chance. Baggerschaufeln, die im Rheingold zum Bau Walhalls dienten,   symbolisieren den erlegten Riesen. Kindlich naiv aber rührend das Spiel Siegfrieds mit dem Waldvogel, den er vom Boden behutsam aufhebt und in seinen Händen hält oder in seiner Jacke nistet.

Der Wanderer erwartet Siegfried in Walhall, die Möbel sind bereits für den Auszug verpackt. Erda darf nochmal den großen Saal putzen. Düster und ebenso verwüstet der Walkürenfelsen, ein schmäliches Feuerband soll den Helden hier aufhalten? Die düsteren Bühnebilder stammen von Patrick Kinmonth. Gekoppelt mit der guten Personenregie wirkt der Ablauf stimmig, es fliesst die Handlung locker und wird nicht durch Ungereimtes gestört.

Musikalisch zeigt sich das bestens vorbereitete Orchester in sehr guter Form. Akustisch positiv wirkt sich die Anordnung aus. Sechs Harfen und Teile des Schlagzeugs sitzen in den linken Parterrelogen und die Blechbläser in den rechten. So entsteht ein mächtiges Klangvolumen, das in die Körper der Zuhörer spürbar eindringt. Pablo Heras-Casado arbeitet am Pult mit vielen Gesten und ist in seiner erhöhten Position gut zu verfolgen. Er hält mit allen Kontakt in ausgefeilter Zeichensprache. So sind viele Details hörbar, sachte intime Momente fühlbar und große symphonische Steigerungen entwickeln sich harmonisch. Satte starke Ausbrüche nimmt er schnell zurück um die Stimmen nicht zu überdecken. Das Vorspiel zum dritten Akt und ebenso zu letzten Bild sind Höhepunkte des Abends wie auch die Leistungen der Sänger, allen voran Andreas Schager als ein junger stürmischer aber auch fühlender Teenager, der nach seiner Identität sucht. Ohne Schonung ist er in der Titelrolle von Anfang an präsent, gibt alles, manches Mal zum Ende führt er die Töne mit Kraft um in der Höhe zu schimmern. Trotz markiger Tempi ist er bestens verständlich und brilliert auch noch im Schlussduett mit der wachheküssten  Ricarda Merbeth als Brünnhilde. Sie ist kein dramatischer Sopran und singt die streitbare Heldin lyrisch, vermeidet scharfe übersteuerte Höhen und bleibt ebenso wortdeutlich. Tomasz Konieczny singt elegant mit viel dunklem Timbre in senem starken Bariton. Farblich einheitlich wirkt er allesamt monoton. Andreas Conrad ist ein gestandener Mime der dem heldenhaften Siegfried sehr melodiös entgegentritt ohne verbohrte zwergenhafte Komik. Martin Winkler gelingt ein ausdrucksstarkes Spiel mit ausgefeilter Gestik in den Händen, gesanglich wirkt er dafür dünn. Eindrucksvoll packend ist die Szene Wanderer Erda. Okka Von der Damerau versteht es ihren Part mit stimmlicher Finesse und Vervevzu prägen. Obwohl ihr nur die Wertugkeit einer Putzfrau vom Regisseur gegeben tritt sie mit Grazie und Grandezza auf. Ihre Stimme intoniert nuancenreich und setzt sich mühelos gegen das Orchester durch.

Viel Applaus mit stehenden Ovationen vom begeisterten Publikum. Auffallend ist auch der große Anteil junger Zuschauer, auch hier scheint Spanien ein aufschlußreiches Vorbild zu sein.

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