Vivaldi und Ovid ansprechend frisch in Salzburg zubereitet mit Stars garniert

Xl_hotel-metamorphosis-2025-c-sf-monika-rittershaus-129 © Monika Rittershaus

Antonio Vivaldi Hotel Metamorphosis Salzburger Pfingstfestspiele 6.6.2025 

Vivaldi und Ovid ansprechend frisch in Salzburg zubereitet mit Stars garniert 

Venedig, la Serenissima, ist die diesjährige Destination der Salzburger Pfingstfestspiele unter der Leitung der gefeierten Sängerin Cecilia Bartoli. Für dieses Leitbild hat sie sich gemeinsam mit dem Regisseur Barrie Kosky einen Opernabend als ein Pasticcio der Best of Antonio Vivaldi überlegt, den großen Musiker aus der Lagunenstandt im Zeitalter des Barock. In zwölf Bildern werden siebenundvierzig handverlesene „Hits“ des Prete Rosso“ - aufgrund seiner Hautfarbe der rote Priester genannt - im Rahmen einzelner Auszüge aus den Metamorphosen des griechischen Philosophen und Literaten Ovid als abendfüllendes Operntheater über vier Stunden dargeboten. Es geht um Verwandlungen, es geht um Schicksal, Hass, Eifersucht und um Liebe in diesen einzelnen klassischen Episoden, welche ihre musikalische Ausstattung in Arien und Duetten aus verschiedenen Opern und Musikstücken Vivaldis finden. Solche Vorgehen waren im Barock durchaus üblich, dazu auch Ballettszenen einzubauen. Soweit nehmen die Festspiele hier eine Tradition wieder auf, welche auch in modernen Zeiten im Musikbetrieb durchaus gängig ist.

Unter dem Titel Hotel Metamorphosis finden sich in einem großzügigen eleganten aber sterilen Hotelzimmer die bekannten Akteure der griechischen Mythologie und Götterwelt wie Pygmalion, Orpheus und Euridice, Myrrha, Narcissus und Echo sowie Arachne und Minerva wieder, deren einzelne Schicksale geschickt ineinander verwoben werden. Immer wieder wird der Guckkasten gehoben und auch die Unterwelt wird zur Bühne. Wahrlich barock inspiriert geht Barrie Kosky an die Umsetzung der anspruchsvollen Aufgabe, einen unterhaltsamen ansprechenden Opernabend zu kreieren. Ästhetisch ist die Bühne von Michael Levine gestaltet und mit viel Gespür und geschickten Einstellungen von Franck Evin ausgeleuchtet. Rocafilm liefert dazu immer wieder passende einnehmende Videos und Projektionen, wie die Spinne in ihrem Netz, in die Aranche verwandelt wird. Auch Klaus Bruns präsentiert eine einfallsreiche Kollektion an Kostümen, von eleganten Götterroben zu bachanalen Togen für Chor und Tänzer. Für jede Szene steht ein barockes Gemälde der Figuren für die Ausstattung Pate, welches über dem Bett aufgehängt ist und am Ende der Szene auf den sich von der Seite langsam schliessenden weißen Vorhang projiziert wird.

Als Bindeglied führt Kosky in seinem erzählerischen Konzept die Sprechrolle des Orpheus ein, der in unterschiedlicher Ausprägung die jeweilige Geschichte kommentiert bis erzählt. Als drittes Element verstärkt die Choreografie von Otto Pichler immer wieder den Handlungsreigen bildlich und rhythmisch pulsierend. Klar und deutlich zeichnet der australische Regisseur die Charaktere und deren Gefühlswelt, geradezu brilliant legt er den klassischen Helden und Göttern moderne Züge an.

So wird der Abend ein üppiges spannendes Menü aus diesen vielen Zutaten, gut gewürzt mit Musik aber zum Glück am Reichtum mit Ideen nicht versalzen oder schwer verdaulich, auch wenn die Grenzen ausgereizt werden.

Wieder einmal hält die Musik alles zusammen und die Genalität des venezianischen Komponisten sichert den Erfolg des szenischen Menüs, durch exzellente Sänger und Musiker gemeinsam serviert. Les Musicien du Prince Monaco unter der Leitung ihres Chefdirigenten Gianluca Capuano und Il Canto di Orfeo sind in den letzten Jahren bereits mehrfach nach Salzburg gekommen. Eine enge internationale Zusammenarbeit verbindet die beiden Klangkörper mit der Intendantin Cecilia Bartoli. Capuano gilt als ausgeprägter Kenner der alten Musik. So hat er auch die beiden Klangkörper ins Leben gerufen und zu entsprechenden Spezialisten für die Interpretation barocker Werke entwickelt. Frisch und lebendig spielt das Orchester auf, die historischen Instrumente verbreiten den weichen abgedeckten Klang, mitunter lassen die Instrumente ihre schwierige Spielbarkeit erkennen. Die Klangwelt ist bunt, vielschichtig die zahlreichen barocken Saiteninstrumente in ihrer Harmonie als Begleitung der Stimmen. Das Tempo schwingend munter bis getrage zu den immer wiederkehrenden Trauermelodien zu Tod und Verlust. Die im Barock beliebten Naturstimmungen werden plastisch ausgekleidet. Impulsiv und transparent mitunter kantig und sperrig bleibt Capuano am Geschehen.

Die Intendantin selbst erfreut ihr treues Piblikum mit ihrer gewohnt impulsiven darstellerischen Qualität. Geschickt verdeckt sie manche Ermüdungen in der Stimme in ausdrucksstarken Nuancierungen. Als Eurydice und Arachne bringt Cecilia Bartoli zwei unterschiedliche Frauen gut ausgeprägt auf die Bühne.

Auch Lea Desandre überzeugt mit ihrer Wandlungsfähigkeit und fassettenreichen Sopranstimme. Als zum Leben erweckte Statua, als liebesdurstige Tochter Myrrha, die nach der Inzucht mit dem Vater dem Wahnsinn verfällt oder als munter kokette naive Echo kann sie die Begeisterung des Publikums wecken. Nadezhda Karyazina bereits zu Ostern erfolgreich in Salzburg auf der Bühne überzeugt wiederum als wutentbrannte Minerva, gefühlvolle Freundin Nutrice  oder Göttin Juno mit ihrem flexibel vielfältigen Mezzosopran. Als biederer Bildhauer Pygmalion, der sich in sein Werk verliebt oder verschreckter Narcissus, in beiden Rollen gelingen Philippe Jaroussky mit seiner sicheren vollen gut geführten Kopfstimme wahrlich barocke Hohepünkte. Großartig verharrt die Schauspielerin Angela Winkler als Orpheus den ganzen Abend auf der Bühne und durchdringt mit ihrer verstärkten Stimme und klaren wohlartikulierrten betonten Sprechweise.

Langer begeisterter stehender Jubel. Das Wagnis Neues aus Altem ist dem gesamten Team gelungen.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

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