Vielfalt und hohe Könnerschaft zum Abschluss der Saison in Innsbruck

Xl_6cfbc55a-6ccf-4670-aebc-efdb26492953 © Birgit Gufler

Tiroler Symphonieorchester 8. Symphoniekonzert

Vielfalt und hihe Könnerschaft zum Abschluss der Saison in Innsbruck

Fazil Say zählt zu den gefeiertsten Komponisten und Pianisten. Doch in seiner Heimat Türkei ist er durch seine gesellschaftspolitischen Aussagen geächtet. Immer wieder nimmt er in seinen Kompositionen zu wichtigen Ereignissen Bezug. Mit dem Werk Yürüyen Kösk - das verschobene Haus vertont er 2017 die populäre Geschichte um das Haus des glorifizierten Staatsgründers Kemal Atatürk. Um eine Platane zu schonen, liess er die zweistöckige Villa auf Schienen bewegen. Ursprünglich für Klavierquintett, hören wir hier die Fassung für Klavier und Streichorchester op 72c mit dem Komponisten als Solist.

In den vier Sätzen kommen verschiedene Stimmungen breit ausgeführt zur Geltung. Ruhig fängt er zu Beginn die Natur mit Vogelstimmen und kühlendem Schatten ein. Mit scharfen kantigen Harmonien steigert sich im folgenden Teil eine Dissonanz, ein Aufbegehren, das wieder zur Ruhe kommt. Fazil Say durchlebt sicht- und hörbar jeden Moment dieser musikalischen Erzählung. Feingliedrig ist sein Anschlag, federnd oder polternd gleitet er über die Tasten, kostet Dehnungen und Farbkontraste aus.

Mit zwei Zugaben bedankt er sich beim begeisterten Publikum, das auffällig viele türkische Landsleute umfasst. Zuerst entführt eine Eigenkomposition in eine orientalisch angehauchte Klangwelt, elegisch sehnende Klänge wechseln sich mit an den Grenzen der Harmonik tänzelbden rhythmischen Steigerungen ab. Als besonderes Geschenk gibt es noch seine legendäre Improvisation über Mozarts Türkischen Marsch, eine wahre Delikatesse seines Könners. Das Publikum gibt beglückt stehende Ovationen.

Wolfgang Amadeus Mozart ist für Say ein „Jahrtausendgenie“ und seine Ehrfurcht ist in seiner Interpretation des Konzert für Klavier und Orchester C -Dur KV 467 zu fühlen. Am Pult der Tiroler Symphoniker begleitet ihr Chefdirigent Kerem Hasan mit Schwung und einem Hang zur Dramatik. Doch Fazil Say setzt sich mit seinen Gedanken charmant durch und Orchester und Solist finden zu einem respektvollen transparenten Zusammspiel. Mit virtuosen Kadenzen zieht Say die Zuhörer in seinen Bann, spielt mit bescheidener Inbrunst die Melodien des verehrten Genies, lässt aber eine klare persönliche Note durchhören. Sein ganzer Körper ist in der Musik gefangen, Mimik und Gestik wirken wie ein seelischer Kampf.

Eindrucksvoll verabschiedet sich Kerem Hasan  mit Richard Strauss Alpensinfonie op 64. Für vier Jahre arbeitete der junge Brite mit zypriotischen Wurzeln mit dem Tiroler Symphonieorchester und mit diesem anspruchsvollem Werk können beide brillieren. In nur 100 Tagen komponierte der bergbegeisterte Bayer diese Tonlegende 1914/15. Über 100 Musiker sind an dieser bildreichen symphonischen Bergtour über 22 Stationen beteiligt. Mystisch treten sie aus der dunklenNacht, zart schimmern die ersten Sonnenstrahlen und entzückt schlendern sie über Wiesen am Bach und Wasserfall entlang. Herausforderungen und Schwierigkeiten am Weg nehmen sie professionell mit Leichtigkeit. Auch Wind und Gewitter lassen sie mächtig aufkommen. In allen Instrumentengruppen herrscht Sicherheit und klangliche Einigkeit. Imposant schmettern die Blechbläser ihre Fanfaren, die Streicher setzen einen vollen breit ausgelegten Klangteppich, auch die Exoten, Windmaschine oder Kuhglocken fügen sich fließend ein. Er herrscht Harmonie und Achtung zwischen Orchester und Dirigent. Wenige Zeichen sind notwendig, ruhig ist der Taktstock, immer wieder gibt es Zeichen der Anerkennung. Die Gipfelstürmer schweben in luftiger Höhe, der Panoramablick, das überwältigende Naturgefühl ist für jedem im Saal zu erleben. Zufrieden lässt Hasan den Abstieg ruhig ohne Wucht mit Volumen ausklingen.

Großer Beifall und Anerkennung im Saal.

Dr. Helmut Pitsch 

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