Verbier Festival Orchester stemmt konzertante Frau ohne Schatten

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Zum 100. mal jährt sich die Uraufführung der Oper Frau ohne Schatten von Richard Strauss dieses Jahr. Die märchenhafte Geschichte über das Schicksal des Kaisers zu seiner mysteriösen Geliebten, der Tochter des Geistergottes Keikobad, die von seinem Falken aufgespührt, einer Gazelle entsprang und als menschliches Lebewesen keinen Schatten wirft, verpackte Hugo von Hofmannsthal in ein romantisches humanistisches Opernlibretto, eine Psychoanalyse über Liebe, Fruchtbarkeit, Opfer und Erlösung. Richard Strauss gibt dem Wechselspiel der Gefühle und Charaktere einen ausgefeilten weit ausgestalteten Strauß an Melodien, Harmonien in differenzierter Rhythmik.

Die Anforderungen an die Sänger und das Orchester sind groß. Für einen Klangkörper wie das Verbier Festival Orchester, das ausschliesslich aus jungen Künstlern besteht, die nur eine gewisse Zeit im Orchester verbleiben, eine besondere Herausforderung. Valery Gergiev widmet sich vermehrt den grossen deutschen Opernkomponisten Richard Wagner und Richard Strauss und nutzt diesen Jahrestag, um sich mit dem Orchester dieser Herausforderung zu stellen. Nahezu ausverkauft ist der Salle des Combins, ein grosses Veranstaltungszelt, das dem Festival als Konzertsaal dient und am Ende wieder abgebaut wird. Die Orchesterbühne ist eng bestuhlt, um das grosse Orchester und die Solisten, die an der linken Seite, hinter den ersten Violinen Platz finden, für diese konzertante Aufführung aufzunehmen. Akustisch ist der Saal in dieser grossen Besetzung schwer zu bespielen, für die Sänger zusätzlich eine Aufgabe sich gegenüber dem Orchester zu positionieren. Valery Gergiev legt viel Augenmerk auf die Ausgestaltung des Orchesterparts, kammermusikalisch über weite Strecken angelegt, lässt er die Instrumentengruppen mit Rücksicht und Vorsicht spielen. Den kunstvollen elegischen Instrumentensoli, besonders von Cello und Violine, lässt er viel Raum und Wirkung. Die monumentalen, expressionistisch gefärbten Tutti werden immer wieder zu dramatischen Ausbrüchen, die ihre Wirkung nicht verfehlen.

Das prominent angekündigte Sängerensemble musste kurz vor der Aufführung einige Absagen hinnehmen. Nina Stemme wurde von der Finnin Miina-Liisa Värelä als Färberin ersetzt. Sie feierte vor kurzem einen grossen Erfolg als Elektra am Landestheater in Linz. Ihre klare Höhe ohne Schärfe beeindruckt, ebenso die Wucht ihrer Stimme, die sie versteht, farbenreich zu bändigen. Sprünge und Läufe werden wie auch die Wortverständlichkeit ab und an ungenau. John Lundgren übernahm den Part des Färbers von Matthias Goerne. Auf das deutsche Fach ausgerichtet wirkt er auch im äusseren Erscheinungsbild dramatisch und sehr präsent. Gekonnt verteilt er seine Kräfte und bleibt bis zu seinem Abschlussjubel sicher und ausbalanciert. Auch mit lyrischen wohlgeformten Melodiebögen weiss er sich gegenüber dem Orchester zu behaupten. Die Stimme von Emily Magee wiegt schwer und für die Kaiserin zu gealtert mit wenig Strahlkraft. Evelyn Herlitzius zeigt viel Ausdruckskraft und Farbe als Amme, kämpft aber gegenüber dem mächtigem Orchesterklang und verliert dabei an Verständlichkeit. Gerhard Siegel sprang kurzfristig für Bogdan Jovanovich als Kaiser ein. Sein Tenor steigt nur schwerfällig in die Höhe, die gepresst wirkt und wenig schillert. Bodgan Baciu liefert als Geisterbote elegante magische Botschaften mit seiner jugendlich frei klingenden Stimme. Auch die Nebenrollen sind durchgängig gut besetzt und es gelingt eine Präsentation dieses anspruchsvollem Werk auf höchstem Niveau. Das Publikum ist begeistert und bedankt sich mit viel Beifall.

Dr. Helmut Pitsch

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