Unbekanntes begeistert das Innsbrucker Publikum - Leonora von Ferdinando Paer

Xl_20200807_leonora_c_brigitte-duftner__16_ © Brigitte Duftner

Passend zum Beethoven Jubiläumsjahr präsentieren die Festspiele Alte Musik die Oper Leonora des Zeitgenossen Ferdinando Paer. Dieser umtriebige und erfolgreiche Komponist mit Wurzeln in der österreichischen Monarchie wurde 1771 in Parma geboren, in Neapel, dem Zentrum der italienischen Musik ausgebildet, in Wien zum Kapellmeister und in Dresden zum musikalischen Leiter auf Lebenszeit berufen. Kein geringerer als Napoleon holte den Musiker, der mit der ebenso erfolgreichen Sopranistin Francesca Riccardi ein wahres "Powercouple" bildete, nach Paris und ernannte ihn zum Leiter des Teatro Italien und des Konservatoriums. Das Werkverzeichnis umfasst über vierzig Opern, die zumeist in Vergessenheit geraten sind. Ferdinando Paer kommt aus der Tradition der italienischen Oper und steht am Beginn der Belcanto Oper. Schwungvolle Rezitative, ausgedehnte Arien, Cabalette und ausgereifte Duette reihen sich in seinen Werken aneinander. Sicherlich hat er Werke von Mozart in Wien kennengelernt und ist mit dessen Kompositionsstil in Berührung gekommen. All diese Einflüsse und Entwicklungen kann der Zuhörer in seiner 1804 uraufgeführten Oper Leonora erkennen. Mitten in den napoleonischen Kriegen präsentiert er hier eine heldenhafte Freiheitsoper französischer Prägung. Zeitgleich arbeitet Ludwig von Beethoven in Wien an seiner gleichnamigen Oper identischen Inhaltes. Es ist auch bekannt, dass sich ein Exemplar der Partitur Paers sich in seiner Wohnung befand. Die Handlung entspricht dem Zeitgeist, die treue Ehefrau rettet heldenhaft den zu Unrecht eingesperrten Gatten aus den Kerker des selbstgefälligen Tyrannen. Die dunklen politischen Machenschaften werden angeprangert, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und reine Liebe verherrlicht.

Geschickt hat Alessandro de Marchi zum richtigen Zeitpunkt mit diesem unbekannten Werk seine musikalische Entdeckungsreise mit dem Innsbrucker Publikum fortgesetzt. Neugierig und offen zeigt sich dieses sowie glücklich, dass endlich wieder Opernbesuche möglich sind. Ausverkauft sind die drei Vorstellungen, das Tirloer Landestheater folgt akribisch den Corona Bestimmungen mit Masken und Abstand. Schnell versteht es der künstlerische Leiter am Pult des bestens vorbereiteten  Festspielorchesters das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Die Ouvertüre verweist in seiner Leichtigkeit, Spritzigkeit und rhythmischen Raffinesse auf Gioachino Rossini.

Die Protagonisten  dieser konzertanten Aufführung sammeln sich langsam auf der Bühne vor dem Orchester und nehmen auf den in einer Reihe aufgestellten Sesseln Platz, um dann wieder im Verlauf der sich steigernden Dynamik der Musik zu verabschieden. Zurück bleiben Marcellina und Giachino. Die Beiden sind klar als das für die italienische Oper typische Buffo Paar gezeichnet, klar musikalisch abgegrenzt zu  dem heldenhaften Paar Leonora und Florestan. Mariame Clement hat eine szenische Umsetzung für den Handlungsablauf geschaffen, der sich lediglich auf Bewegung und Gestik der Sänger und Sängerinnen ausrichtet. Eine Reihe von Notenständern werden als Utensilien zu Felsbrocken oder Wänden verwandelt. Schnell schreitet die Handlung voran, Alessandro de Marchi achtet auf anspruchsvolle Tempi, zeichnet sehr markant die Vielfalt der Orchesterstimmen und hebt die zahlreichen Instrumentensoli hervor, welche ausdrucksstark Stimmungen aufbauen. Die Sänger unterstützt er mit vornehmer Zurückhaltung des Orchesters. Leider sind die Blasinstrumente hinter Plexiglaswänden und durch Abstand weit im Hintergrund sitzend zu gedämpft hörbar.

Ein durchgängig ausgezeichnetes Sängerensemble verhilft dem Werk zusätzlich zu eine, grossen Erfolg beim Publikum. Die zierliche Sopranistin Eleonora Bellocci weiss ihre Stimme über alle Lagen beeindruckend zu führen. Eine kraftvolle Höhe lässt sie Dramatik aufbauen, eine weiche Mittellage aber auch als liebevolle leidende Frau erscheinen. In Klangfarbe und Volumen ergänzt sie sich bestens mit Marie Lys, welche die Marcellina mit erfrischenden jugendlichen Tönen und einer klaren Intonation besonders in den Koloraturen mit Leben erfüllt. Renato Girolami überzeugt als fürsorglicher Vater und gutmütiger Kerkermeister Rocco mit einer vollmundigen samten timbrierten Basstimme. Luigi Di Donato mimt den jovialen tolpatschigen Liebhaber Giachino sehr präsent und vollmundig. Paolo Fanale gelingt es nicht alle Farben seiner grossen Arie zu Beginn des zweiten Aktes als zum Tode geweihter Florestan zu vermitteln. Seine Tenorstimme ist im Volumen eng und in den Höhen mitunter gepresst, steigert sich und gewinnt an Sicherheit im Verlauf des Abends. Carlo Allemano ist häufig Gast bei den Festspielen und verleiht dem Tyrannen Don Pizzarro dunkle donnerhaft Farbe und Herrschaft. Dem stellt sich Krešimir Špicer geradezu unbekümmert herzlich lautstark als rettender Minister gegenüber.

Die drei Stunden vollgepackt von Gesang und bewegten Melodien ziehen so schwungvoll, gestenreich und rasch vorbei. Das Publikum verfällt in einen wahrhaften Jubel und reisst das Ensemble zu einer Wiederholung des Schlussseptett hin, ein wahrer Aufruf an die Menschheit "An einem so schönen Tag soll überall der Klang der Freude widerhallen. "

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