
Richard Wagner Siegfried Teatro alla Scala Mailand 9.6.2025
Traditionell, optisch ästhetisch, ausdrucksvoll bebildert - der neue Siegfried in Mailand
Ein großer Blasebalg, ein rauchender Schmiedeofen, eine echte Höhle als Behausung mitten im Wald, so erschließt sich der Beginn des neuen Siegfried dem Mailänder Publikum. Regie und Bühnenbilder dieser Neuinszenierung des Ring des Nibelungen am renommierten Teatro alla Scala verantwortet David McVicar. Wieder ist die Bühne im zweiten Aufzug dunkel gehalten. In der Mitte stehen drei übergroße menschliche Skulpturen, die zu einer Baumgruppe stilisiert sind. Die Bühnenrückwand wirkt mit Videoprojektionen dunkel vernebelt und öffnet sich für den Auftritt Fafners als mächtiger Drache, hier ein überdimensionierter Totenkopf und Skelett. Der Wanderer begegnet Erda auf der leeren Bühne in nebeligen Grautönen mit Videoprojektionen, nur eine übergroße Kugel zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters an. Erda am Boden liegend erwacht als die Kugel leicht bewegt wird. Das Schlussbild aus Walküre kehrt wieder zurück. Brünnhilde schläft in einer Hand gebettet, der Walkürenfelsen im Profil eines Kopfes. Bläulich ist der Hintergrund gefärbt, die Morgenstimmung erahnend.
In dieser fast an die Anweisungen Richard Wagners erinnernden Bilder bewegt sich ein erlesenes Sängerensemble. Michael Volle verkörpert getragen dem Ende zustrebend einen alternden Gottvater als Wanderer. Umhüllt von dunklen Stoffen wirkt er von Emma Kingsbury (Kostüme) eher in Lumpen, immer an dem Speer klammernd, sein verbleibendes Machtsymbol. Ausdrucksvoll vollmundig ist sein Gesang, warm in die gut geführte Stimme gepackt. Textverständlich kann der Besucher ihm gut folgen, besonders im Dialog mit Mime.
Den mimt Wolfgang Ablinger-Sperrhacke mehr als erfrischend originell und bewundernswert gelöst als Transvestit in Stöckelschuhen und fuchsroter Perücke. In Gestik und Bewegungen erzeugt er eine exotische Athmosphäre zur Naturszenerie. Im Koffer führt er die Erinnerungsstücke an Sieglinde mit sich. Fassettenreich folgt seine Stimme die makellos von schräg zu ernsthaft wechselt. Als feine Dame führt er das Gespräch mit dem Wanderer, seine Zuneigung zu seinem angenommenen Kind Siegfried kannn er gut verpacken. Im pelzbesetzten abgetragenen Mantel mit Krönchen geht er mit diesem zur Neidhöhle.
Den Titelheld verkörpert souverän Klaus Florian Vogt. Dank seiner Technik singt er die Partie ohne jeglichen Druck, hält die schwere Bruststimme zurück. So bleibt er heldenhaft strahlend wie auch sein jugendliches Auftreten den Charakter trifft. Camilla Nylund hat in den letzten Jahren die meisten Wagnersopranrollen einstudiert und sich in diesen als feste Größe etabliert. Nach der kampfeslustigen Brünnhilde in Walküre schafft sie spielerisch den Wechsel zur geläuterten Heldin, die vom tiefen Schlaf erlöst den rettenden Helden feiert und anerkennt. Mühelos ist sie vom ersten Ton präsent, kraftvoll klar und hell und freudig begrüßt sie die Sonne, das Licht und Siegfried. Zögerlich lässt die Regie beide aufeinander zugehen, angstvoll und Respekt wahrend. Im Klang steckt die Neugier und Freude. Imposant die stimmliche Ausdauer von Klaus Florian Vogt bis zum letzten Ton im Duett mit Camilla Nylund, die erst spät das Geschehen betritt.
Olafur Sigurdarson ist ein fieser, herumlaufender Alberich in roter Montur eher kafkaesk als Gnom gezeichnet. Wie sein Bruder Mime trägt er die Krone, vom Reich und Macht träumend. Kernig ist seine Bassstimme, die geheimnisvoll und verkniffen seinen Anspruch reklamiert. Ain Anger ist ein sicherer routinierter Fafner, der müde ohne Wehmut seine Höhle und den Hort aufgibt. Auch Christa Mayer will nicht lange gestört werden und bleibt ergeben versöhnlich im Zwiegespräch mit dem hadernden Gottvater. Das nahende göttliche Ende kommt in der Szene gut zum Ausdruck.
Im Orchester bildet Simone Young die Geschichte kantig und klar ab. Immer wieder lässt sie die Themen hervortreten, haltet sich für die Sänger zurück und nutzt die Orchesterstellen, um sich deutlich zu zeigen. Wahre Klangergüsse kommen aus dem Graben. Im Tempo ist sie gewohnt forsch aber bleibt sängerfreundlich. Das Oechester ist gut vorbereitet und konzentriert. Wohl abgestimmt und sehr harmonisch in der Erscheinung zeigt es sich auch für Wagner immer besser gerüstet, auch wenn noch manche Unsicherheiten auftreten.In der nächsten Saison steht die Premiere des letzten RIng Abends - die Götterdämmernung, sowie zwei gesamte Zyklen des neuen Rings auf dem Programm.
Jubel und herzhafter Applaus im nahezu ausverkauften Haus
Dr. Helmut Pitsch
12. Juni 2025 | Drucken
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