Siegfried Tiroler Festspiele - Eine kluge mit Humor und vielen Details angelegte Regie - musikalisch glänzend

Xl_53032035028_e12ad99833_k © Xiomara Bender

Richard Wagner Siegfried Tiroler Festspiele 8.7.2023

Siegfried Tiroler Festspiele - Eine kluge mit Humor und vielen Details angelegte Regie - musikalisch glänzend 

Er ist der reine Held, der das Fürchten nicht gelernt hat und die Fortsetzung von Richard Wagners Familienthriller Ring des Nibelungen sichert. Er schmiedet die Teile des neidlichen Schwertes seines vom Vater gebrochenen Schwertes zusammen, gewinnt den titelgebenden sagenhaften Ring und Tarnhelm, besiegt seinen Großvater und erweckt seine Tante, um bei ihr als liebender Gatte einzuziehen. So kann man die handlungsreiche Geschichte der Oper Siegfried im modernen Netflxstil sehen.

Brigitte Fassbaender schafft mit ihrer langjährigen Erfahrung auf und vor der Bühne eine überaus kluge, traditionelle aber auch moderne, bunte und intelligent humorvolle Neuinszenierung ganz in ihrem am Text orientierten Erzählstil für die Tiroler Festspiele. Mimes Höhle ist aus der dezenten Videoinstallation von Bibi Abel erahnbar, Schmiedetisch , Amboss und Feuerstelle sind im Bühnenbild von Kaspar Glarner erkennbar. Zum Vorspiel gibt es da auch einen Laufstall mit einem schlafenden Kind. Der kleine zarte Siegfried wird von Mime geweckt und zeigt seinen starken Willen und auch seine kindliche Abneigung gegenüber seinem Erzieher. Der trägt den widerborstigen Kleinen entschlossen eine Treppe hoch. Von dort kehrt der mächtig korpulente strahlende Held Siegfried zurück. Die Rätselszene wird dank der beiden schauspielerischen Talente eindrucksvoll spannend. Fafner ähnelt einem japanischen Kämpfer mit seinem Kostüm voller Waffen. Kämpferisch hockt er auf einem Geldschrank, das Nibelungen Gold in Kübeln herumgereiht. Der Nibelungen Ring ist ein goldener Kampfring über alle 4 Finger, der Tarnhelm eine dunkle Vollvisierbrille. Die Dunkelheit im Wald lichtet sich durch eine Videoinstallation. Der Waldvogel agiert umfangreich als bunter Punk. Geschickt wird hier das darstellerische Defizit Siegfrieds mit begleitender Aktion kaschiert. Ein zweiter Waldvogel vollführt Streetdance, um seine Artgenossin zu begeistern.

Originell und sehr lebendig menschlich ist das Treffen Erda und Wanderer im dritten Akt. Mit perfekter Frisur im Stil der sechziger Jahre und plüschiger Schlafbrille liegt sie im eleganten Bett. Der Wanderer ist entzückt und packt den Champagner aus und legt sich zu ihr. Statisch wird es gegen Ende, wenn sich Brünnhilde und Siegfried mit wenig Interaktion begegnen. Da kann die stimmungsvolle Videoinstallation nicht viel unterstützen.

Dies gelingt aber im Bühnenhintergrund dem Tiroler Festspielorchester unter der Leitung von Erik Nielsen. In bekannten Weise sitzen die Musiker in Erl in Stufen aufgereiht hinter einem transparenten Vorhang hinter den Sänger. Dies vermittelt ein besonderes volles Klangerlebnis und lässt den Sängern viel Spielraum für ihre Interpretation. Auch im Orchester ist so Kraft und Volumen möglich, ohne die Sänger zu bedrängen aber dramatische Wirkung zu festigen. Seit letztem Jahr ist Nielsen künstlerischer Leiter bei den Tiroler Festspielen und hat sich an das Orchester und die Gehebenheiten im akustisch sehr guten Passionsspielhaus gewöhnt. Viele Leitmotive lässt er klar durchdringen, ergänzt so das Geschehen auf der Bühne, die Bläser unterstützen in präsentem Spiel. Frisch wählt er das Tempo ohne zu hetzen. Er lässt immer wieder größere akustische Entladungen zu, hängt aber nicht an ausgedehnten Forte.

Nach kurzer Unsicherheit zu Beginn erfreut Vincent Wolfsteiner sehr mit einer soliden lyrisch ausgesungenen Gestaltung des Siegfried bis zum letzten Ton. In seiner Bühnendarstellung ist er statisch zurückhaltend, unterstreicht aber durch seinen freundlich lächelnden Gesichtsausdruck das naiv intuitive Rollenbild. Peter Marsh wirkt hier als Mime deutlich heldenhafter, zu streitbar für den eigentlich verschrobenen fiesen Gnom. Auch stimmlich ist er ein kräftiger klarer Tenor, etwas dunkel akzentuiert in der Aussprache. Simon Bailey gibt dem Wanderer eine perfekte Rollenidentifikation. Dazu brilliert er mit einer mächtigem wohl differenzierten Gesangsleistung.

Mit einem guten Schuss Komik und Phantasie ist die Rolle des Alberich von der Regie und insbesondere von Craig Colclough in der Umsetzung gelungen. Er haust wie ein Penner unter Plastikplanen vor der Höhle, ernährt sich von Keksen und hat eine Sammlung leerer Blechdosen, die er in der Faust zerdrückt. Munter schleicht er im Wald leicht verkommen herum.

Christiane Libor erwacht als strahlende Brünnhilde. Ihre Stimme erfüllt alle Anforderungen der Rolle, zeigt aber wenig Nuancen in Klang und Farbe. Zanda Svede spielt ihre Reize als Erda gekonnt aus, ihr Mezzo schimmert selbstbewusst mit etwas Metall in der hohen Lage.

Anthony Robin Schneider scheint sichtlich Freude in seiner Montur als Fafner zu haben. Voll und wehrhaft stellt er sich seinem Widersacher, mit weicher Trauer erzählt er ihm sein Schicksal. Von der Regie aufgewertet und gut gelöst der Auftritt des Waldvogels. Anna Nekhammes versteht die Sprünge und Anforderungen dieser anspruchsvollen Partie auszusingen mit ab und an zu viel Druck in den Spitzentönen. 

MIt großer Begeisterung und stehenden Ovationen wird diese Neugestaltung aufgenommen und alle Beteiligten mit viel Applaus gewürdigt. 

Dr. Helmut Pitsch 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading