Schmetterling wird zum großen Tanztheatererlebnis in München

Xl_pb11_schmetterling__schmetterling__ensemble_c__carlos_quezada__183__002_ © Carlos Quesada

Sol Leon Paul Lightfood Schmetterlinge Bayerisches Staatsballett 28.6.2023

Schmetterling wird zum großen Tanztheatererlebnis in München

Das Choreographenehepaar Sol Leon /Paul Lightfood arbeitet seit 1989 zusammen. Gemeinsam führten sie von 2002-2020 das Nederlands Danse Theatre. Dort schufen sie zahlreiche vielbeachtete Werke und waren Wegbereiter des modernen erzählerischen Tanztheaters. Mit ihrer geballten Kreativität, Ungewöhnliches zu rhythmischen Bewegungen zu machen, sind ihre Choreografien immer wieder spannungsgeladen und inhaltsreich. Sich gegenseitig inspirierend und ergänzend scheint ihre Phantasie grenzenlos. Zumeist formen sie auch das Bühnenbild und die Kostüme.

So auch in den beiden Choreografien, die sie mit dem Bayerischen Staatsballett wieder aufgenommen haben. Abergläubisch lassen sie die Titel mit S beginnen.

Mit einem Effekt beginnt Silent Screen, 2005 uraufgeführt. Ein Tänzerpaar schält sich aus einer großflächigen Bildprojektion, die drei Menschen am Strand zeigt. Die dritte Person schreitet im Film dem Meer zu (Filmrealisation von Metropolis). Das Paar scheint wild zu gestikulieren oder zu diskutieren, Emotionen fließen aus den Bewegungen, die fremdartig und doch vertraut wirken. Die Schrittfolge gewinnt an Tempo, es entwickelt sich ein geschmeidiger Pas de deux. Auf der Leinwand erscheint ein Madchen in einer Winterlandschaft. Im roten Mantel kommt sie näher, in der Großaufnahme ihres Gesichtes rotiert das Auge. Ist dies eine Zeitreise, die wir mit dem Paar erleben? Die Frage ist schwer zu klären, facettenreich ist das weitere Geschehen. Immer neue Formationen und Tänzer und Tänzerinnen folgen zu der eindringlichen Musik von Philip Glass. Seine minimalistischen Klänge pochen auf den Zuschauer ein, und ziehen wie die Bewegungen in den Bann. Mit Gespür bilden Sol Leon und Paul Lightfood  Stimmungen in diesem epischen Tanzroman. Aus dem Nichts steigt eine Tänzerin aus dem Orchestergraben und  zieht eine schwarze Schleppe über die gesamte Bühne hinter sich her. Am Ende kehren wir durch das rotierende Auge zurück, das Mädchen verschwindet wieder im Film und das Pärchen findet sich am Strand wieder.

Nach diesem elegisch gedämpften Tanztheater liefern Sol Leon und Paul Lightfood ein amüsantes munteres Tanzdrama im zweiten Stück des Abends. Schmetterling wurde 2010 uraufgeführt. Die Musik Magnetique Fields von Max Richter ist vielseitig. Langsam bis expressiv stürmisch ist die musikalische Begleitung. Eine zugrunde liegende Handlung des Tanzstückes ist nicht zu erkennen. Eine scheinbar verwirrte Tänzerin eröffnet auf der Bühne herumirrend. Es wird ein munterer Reigen der Tanzcompagnie. Es wird auch gegendert. Männer als Frauen wirken kokett, im Pas de Deux gekonnt pariert. Immer wieder mischt sich ein akrobatisches Solo in schwindelerregendem Tempo ein. Zum Schlussbild öffnet sich breitflächig eine romantische Landschaftsaufnahme. Es wird ruhiger, die Musik minimalistisch, die verwirrte Tänzerin erscheint nochmals. Mit Bedacht wird sie von der Bühne getanzt. Die Landschaft wie ein Vorhang zur Seite geschoben und Dunkelheit fällt ein. Die Lichtregie des Abends stammt von Tom Bevoort.

Ein großartiger Abend für das Bayerische Staatsballett, das mit viel Inspiration und Können diese beiden Choreografien meisterhaft auf die Bühne gebracht haben.

Große Begeisterung und Jubel im Nationaltheater.

Dr. Helmut Pitsch

 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading