Salzburg feiert Elektras bildstarke Psychoanalyse

Xl_elektra-2020-c-sf-bernd-uhlig-05-1 © Bernd Uhlig

Schlange stehen am Einlass, Ausweiskontrolle, Maske, Abstand und freie Plätze, die Salzburger Festspiele im Ausnahmezustand in diesem Krisenjahr für die Kulturbetriebe. Wie wichtig und richtig die Entscheidung der Verantwortlichen Flagge zu zeigen und trotz aller Hemmnisse eine außergewöhnliche Saison wiederum in höchster Qualität zustande zu bringen. Und das alles im Jubiläumsjahr, eigentlich als feierliches  Jubeljahr und Festspiele der Superlative geplant.

Die Neuinszenierung von Elektra des Gründungsvater Richard Strauss  ist so das Highlight im internationalen Festspielsommer und eine der wenigen in Szene gesetzten Opernaufführungen weit und breit. Umso mehr findet die Aufführung in der Regie von Krzysztof Warlikowski breite Beachtung. Der Pole hat sich einen Namen für seine Psychogramme in seinen Inszenierungen erarbeitet. Auch hier zerlegt er die Charaktere und dröselt die spannungsgeladene Familiengeschichte um den griechischen König Agamemnon akribisch auf. Dazu nutzt er die große Bühne der Felsenreitschule großzügig mit Bühnenbildern von Malgorzata Szczesniak, Videoprojektionen vom Bühnengeschehen von Kamik Polak sowie Lichtrefie von Felice Ross. Handlungsort ist das großzügige Hallenbad des königlichen Palastes. Die gesamte Bühnenwand ist  verkleidet und mit einer Sitzbank ausgestattet. Ein gläserner Kubus erlaubt ab und an einen Blick in das Palastleben. Agamemnon liegt auf der Bahre zur Leichenwaschung. Auch die Opfeung Iphigenias der Erstgeborenen wird thematisiert. Mit einem ergänzenden Monolog gesteht Klytemnestra gleich zu Beginn ihre blutige Tat des Gattenmordes. Dessen Rache hat seine Tochter Elektra einzig im Sinn und sitzt wie traumatisiert am linken Bühnenrand.  Im adretten jugendlichen Sommerkleid beobachtet sie das übertriebene luxuriöse Treiben am Pool. Ihre angepasste aber wachsame Schwester Chrysothemis versucht im knappen Glitzerkostüm sie wieder in den Hof zu integrieren. Ihre mörderischen Taten an Sohn und Gatten martern ihre Mutter, der wilde Träume den Schlaf rauben. Das Werk entsteht und steht mit der Psychoanalyse und Traumforschung. Schwer lastet der Prunk in Form des  goldenen Gehänges auf der Königin, modern im roten knielangen Kleid. Fremdartig erscheint Orest im Norwegerpullover, der Retter und Erlöser, der nach dem Rachemord an seiner Mutter und Stiefvater Agisth dem Wahnsinn verfallen von der Bühne an den Zuschauern vorbei seinen Abgang finder. Elektras selbst dem Wahnsinn verfallen bereitet mit einer Überdosis Tabletten ihrem Leben ein Ende, ihren extatischen Freudentanz, ein musikalischer Höhepunkt tanzt in einer riesigen Videoprojektion ein Fliegenschwarm auf einer Blutlache. Keine Erlösung in dieser Therapie des polnischen Regisseur. Die lässt Franz Welser Möst in seiner musikalischen Deutung zu. Kraftvoll,  pulsierend hämmernd musizieren die Wiener Philharmoniker. Sein Tempo ist ausgewogen, er treibt nicht die Handlung aber setzt die Dramaturgie, nicht immer einfach für die Sängerinnen.

Ausrine Stundyte schlüpft in die Titelrolle. Dunkel mutet ihr Sopran, schwer versetzt er sich in die mörderisch anspruchsvolle Partitur von Richard Strauss. Es wird alles abverlangt, die Kraft und Flexibilität fehlt der Lettin um alle Anforderungen zu erfüllen. Spitzentöne geraten gepresst ohne blitzende Strahlkraft, in der Mitte wäre mehr Modulation angebracht. Asmik Grigorian, die gefeierte Salome der letzten Saison überzeugt auch hier als Chrysothemis, schraubt sich klar in die Höhe, bleibt wortverständlich und führt die zarten Melodien und Harmonien. Tanja Ariane Baumgartner verkörpert eine kultivierte Klytemnestra, ohne Schrille aber mit Volumen und Klang.

Männer umd Männlichkeit ist rar in dieser Oper und Derek Welton als Orest hilft weder sein Kostüm noch die Personenführung. Stimmlich sicher und präsent kann er der Rolle des Orest so wenig Farbe geben.

Mit heftigem Orchesterschlag beginnt und schließt dieses große Werk der Opernliteratur. Angesichts der Umstände ist diese Aufführung mehr als würdig, die 100 Jahre Festspiele in Salzburg zu feiern und dessen Ausnahmestellung zu zementieren. Das Publikum feiert kräftig begeistert mit.

 

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