Russisches Märchen in elegischer Tristesse intelligent und musikalisch ausgezeichnet in Erl wiederbelebt

Xl_schneefl_ckchen_tiroler_festspiele_erl_winter_2023_xiomara_bender_20 © Xiomara Bender

Nikolai Rimski Korsakow Schneeflöckchen Tiroler Festspiele Erl 27.12.2023

Russisches Märchen in elegischer Tristesse intelligent und musikalisch ausgezeichnet in Erl wiederbelebt

Es ist kalt, bitter kalt und trostlos auf der halbkreisförmigen Bühne - Gestaltung Wolfgang Menardi - des Festspielhauses in Erl. Ein paar Stühle und Tisch sind am verschneiten Boden verstreut. In der Mitte, auf einem runden Podest, klagt Mutter Frühling ihr Leid. Aus Ihrer Schäckerei mit Vater Frost ist ihre geliebte Tochter Schneeflöckchen hervorgegangen. 16 Jahre wird diese nun, von den Eltern wie ein Augapfel vor Sonne und Wärme geschützt. Zum Leidwesen der Berendäern, der ländlichen Bevölkerung, die keinen Sommer mehr erleben dürfen. Über diese herrscht der Patriarch Zar Barendej. Schneeflöckchen fühlt sich dem Hirtenjungen Lel mit seiner engelsgleichen Stimme hingezogen und möchte bei den Menschen leben. Dort stört die in Liebe Unerfahrene die geplante Hochzeit von Kupawa und Misgir und gerät in die Mühlen der Gesellschaft und Herrschaft des Patriarchen. Sie bittet Ihre Mutter um Hilfe, die ihr zu Lieben ermöglicht. Aber ihr Glück währt kurz und sie stirbt in den ersten Sonnenstrahlen. Der Sonnengott Jarilo hat sein Opfer und der Patriarch verkündet freudig die Rückkehr des Sommers. 

„Die ungewöhnliche Dramaturgie auszuhalten und den Reichtum der Geschichte in Gänze zuzulassen war die schwierigste Entscheidung und größte Herausforderung in unserem Arbeitsprozess“. So beschreibt Florentine Klepper, die Regisseurin, dieser gelungenen Neuinszenierung von Nikolai Rimski Korsakows Oper Schneeflöckchen ihre Erfahrung mit dieser in Russland erfolgreichen Oper, indes in unseren Breiten selten zu sehen. Menardi baut das Bühnenbild um eine Mitte, „um ein Brennglas herum, es gibt keine Ecken in dem man sich verstecken könnte, das maximale ausgestellt sein.“ Die Rolle der Liebe und das gesellschaftliche Leben unter dem vermeintlich milden Patriarchen wird hier vom Regieteam intelligent und subtil herausgearbeitet. Mit hoher Musikalität verschmilzt der Handlungsablauf mit der romantischen farbenreichen Musik Rimski Korsakows. 

1874 begegnete er dem gerade neu erschienenen Märchen erstmals, aber erst 1879 begann er mit der Komposition.  In wenigen Monaten vollendete er auf dem gemieteten Landsitz außerhalb Moskaus das Werk. Die Partitur ist geprägt von vielen Natureindrücken und Volksliedern, die er brilliant orchestriert. Naturstimmen beseelen das Werk, heidnische Riten wie das Frühlingsopfer, den Faschingskehraus oder wie auch Amor als den Hirten Lel hat er meisterhaft integriert. Rimski Korsakow war als Mitglied des mächtigen Häufleins, welches mit der akademischen Kompositionstechnik brach, ein Autodidakt. Erst später holte er diese Studien nach und wurde Professor an der Akademie. Er zählt neben Tschaikowski zu den bedeutendsten Romantikern Russlands.

Der Russe Dmitry Liss fügt dem Spannungsbogen auf der Bühne unaufdringlich aber sehr präsent aus dem Orchestergraben die reichhaltige sehr zugängliche Musik hinzu. Zahlreiche Soli der Bläser sowie Streicher gelingen zart und feinst dargestellt. Klavier und Harfe liefern eine besondere Klangpracht. Auch im Graben wird viel erzählt, Motive prägen Stimmungen und Charaktere. Knappe vier Stunden dauert die komplexe Geschichte und das Publikum folgt gebannt. 

Dies ist auch der großartigen Leistung des jungen Sängerensembles geschuldet. Zerbrechlich wirkt die Koreanerin Clara Kim, die dem Schneeflöckchen ihre reine hoch angelegte Sopranstimme gibt und in asiatischer Zurückhaltung die verschreckte naive Jungfrau mimt. Victoria Pitts überzeugt als leidende Mutter Frühling und entsteigt im vierten Akt aus dem Untergrund hochgefahren als wehrhafte Frühlingsfee in grellem Rot mit Strahlkranz am Haupt. Aidan Smith ist ein in trostloser Kälte eingeeister Vater Frost.

Nombulelo Yende wird als streitbare Kupawa gefeiert. Ihr Sopran ist eine glückliche Mischung aus Dramatik und Lyrik. Dazu bietet er Volumen in allen Lagen ohne grell zu werden. Verzaubern kann Iurii Iushkevich als Lel nicht nur die Frauen im kalten Land der Berendäer sondern auch im wenig winterlichen Tirol. Sein Countertenor ist von einer leichten transparenten glockgleichen Reinheit bis in höchste Spitzentöne geprägt. Sein Timbre ist in der elegischen russischen Seele bestens aufgehoben. Dazu ist seine Erscheinung knabenhaft, gut für die Rolle passend. Danylo Matviienkoist ein derber Misgir, der mit seinem Geld und Status punkten will, dies auch stimmlich mit kraftvollem aber gut geführtem Bariton zeigt. Aaron Cawley ist ein eleganterZar Barendej, der mit warmer Stimme gut intoniert punktet.

Auch die Nebenrollen sind mit Carlos Cardenas als Häusler und Anna Dowsley als Häuslerin, sowie Liam Bonthorne als der Waldschrat bestens besetzt. Hervorzuheben ist auch die gute Einstudierung des Chores der Tiroler Festspiele  durch Olga Yanum

Großer Jubel und Begeisterung im fast ausverkauften Haus vom mitgerissenen Publikum 

Dr. Helmut Pitsch

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