Romeo und Julia am Gärtnerplatz ein banaler Abend unter Wert für das Staatsballett

Xl_img_1383 © Marie Laure Briane

Island erlebt derzeit eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Der Tourismus überrollt die Insel im äussersten Nordwesten Europas und die Kunstwelt feiert dessen Künstler und Kunstwerke. Zwei junge Künstlerinnen aus Island, ihrerseits auch Tänzerinnen haben für das Gärtnerplatz Theater in München ihre Überlegungen zur Geschichte des wohl berühmtesten Liebespaar und der expressiven Musik von Sergey Prokofjew präsentiert. Das ausserordentliche Ergebnis ist sicherlich Geschmackssache, der tänzerische Inhalt, sowohl als Ballett oder Tanztheater ist als gering einzustufen. Wildes Getrampel, kollektives Gehüpfe wie in einer Aerobic Stunde in einem x beliebigen Fitnesstudio dominieren. Dazu wird eine Geräuschkulisse durch Ächzen und Stöhnen erzeugt. Wo sind ausgefeilte Tanzschritte oder Figuren, der grandiosen Musik und Handlung entsprechend? Wo ausdrucksstarke Körperbewegungen oder darstellerische Raffinesse aus den Körpern entstehend, wie wir es aus erfolgreichen Tanztheater kennen. Vielmehr greifen Erna Omarsdottir und Halla Olafsdottir auf bekannte Gestaltungselemente zurück. Da schmieren sich die Tänzer kräftig mit roter Farbe voll, wie in den bekannten Festspielen von Helmut Nitsch, um ihren Schmerz über den Tod des Liebespaares auszudrücken. Dann wird ausufernd mit einer grossen Stoffbahn gewedelt, um Wellenbewegung zu erzeugen oder unter dieser herumgekrochen. Originell startet noch der Abend. Alle Tänzer treten vor den Vorhang in fleischfarbenen Anzügen mit skurrilen Vergrösserungen verschiedener Körperteile. Eine persönliche Vorstellung in verschiedenen Sprachen folgt, ergänzt mit persönlichem Bezug zum Abend. Dabei ist wenig Begeisterung der Tänzer und fehlendes Verständnis für ihre verschiedenen Rollen zu spüren. Jeder Tänzer tanzt an diesem Abend alle Rollen, wobei die Helden der Theatervorlage gar nicht auftreten. Inhaltlich wollen die beiden Choreographinnen Gegenstände und Gefühle der Geschichte abbilden. So tritt Jesus als Sinnbild für die Kirche und Mutter der Liebespaare auf, Aggression und Hass kämpfen zwischen den verfeindeten Familien, Liebe kommt zum Ausdruck genauso wie das Leid und der Schmerz. Schwarze Gestalten versinnbildlichen das grausame Schicksal. Ein grosses rotes und schwarzes Herz kommen ebenso vor. Die Tänzer bemühen sich viel Ausdruck in diese Choreographie zu legen, dürfen aber ihr tänzerisches Können und Talent an diesem Abend nicht zeigen. Skurille Formationen an Bildelemente von Hyronimus Bosch erinnernd, sind noch die ansprechendsten Bewegungen. Die Bühnengestaltung von Chrisander Brun und die Video Einspielungen von Valdimar Johannsson zählen zum Besseren des Abends. Zum Glück wurde die Musik von Sergej Prokofjew nur in geringen Masse gekürzt und live vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz gespielt. Daniel Huppert am Pult sorgt für ein frisches Tempo und nützt die Lücke auf der Bühne, um mit seinem Orchesterklang das Publikum für sich zu gewinnen. Solistische Tanzfiguren oder differenziertes Geschehen auf der Bühne müssen nicht untermalt werden, so tritt seine musikalische Interpretation in den Vordergrund, welche sich durch transparente Stimmführung auszeichnet. Das Orchester hat die Partitur gut einstudiert und folgt sicher seiner Stabführung. Am Ende gibt es Jubel und Applaus vom jungen Publikum, die Abonnenten sind zum Teil bereits in der Pause gegangen.

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