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Nikolai Rimski-Korsakow Die Nacht vor Weihnachten Bayerische Staatsoper 10.12.2025
Rimski Korsakov in München Viel russisches Volkstum und Witz von Barrie Kosky aufpoliert
Die Literaturvorlage stammt von Gogol, der in einem Erzählungsband ukrainische Märchen über Glauben und Aberglauben, Folklore und Mythen in farbiger Sprache zu Papier bringt. Der Band zählt zu den Lieblingslektüren des jungen Nikolai Rimski-Korsakow. Nach dem Tod von Piotr I Tschaikowski 1893, der auch Teile des Bandes vertonte, macht er sich an die Komposition der Oper mit dem Titel Die Nacht vor Weihnachten, welche 1895 in St. Petersburg uraufgeführt wurde. Im Kern handelt das sehr selten aufgeführte Werk vom Dorfschmied Wakula, der Oksana liebt. Diese spielt mit seiner Liebe und verspricht ihn zu heiraten, wenn er ihr die Schuhe der Kaiserin bringt. Nur mit dem Bündnis mit dem Teufel gelingt ihm dies und es kommt zu einem guten Ende. Dazu ziehen Nebenpersonen die Handlung in die Länge.
Musikalisch verarbeitet Rimski-Korsakow viele Volkslieder und eingängige Melodien. Dem Chor der Bayerischen Staatsoper, der exzellent von Christoph Heil vorbereitet wurde, kommt, wie so oft in russischen Werken, große Bedeutung in der Handlung mit umfangreichen Auftritten zu. Besonders nach der Pause besticht die Partitur mit einem Klangfeuerwerk und einer breiten tragenden Symphonik. Zuerst die mystische Begegnung mit dem Teufel, dann der Ritt in das Luftreich. Die Bläser schmettern feierlich die Fanfaren am Zarenhof. In einigen gut auskomponierten Arien zeigen sich lyrische Passagen.
Vladimir Jurowski, selbst mit ukrainisch und russischen Wurzeln, ist ein magischer Märchenerzähler am Pult. Seine Verbundenheit zu dem Stück lässt sich erkennen. Mit Akribie fügt er den Orchesterklang zusammen. Vom Inhalt inspiriert macht er die einzelnen Szenen bildhaft hörbar. Das Orchester zeigt sich in bester Verfassung. Die Bläser strahlen vollmundig und sicher, die Streicher schwelgen in den melodramatischen Melodien.
Die Wirrungen des Stoffes fügt Barrie Kosky zu einem bunten Spektakel mit satirischer Parodie der einzelner Charakter. Er gestaltet die Handlung wie ein Stück im Stück. Das Bühnenbild von Klaus Grünberg ist ein Halbrund wie ein Theater mit zwei Rängen. Das Volk umringt so die handelnden Personen. Immer wieder werden Orchestervorspiele und Begleitung vom Bayerischen Staatsballett ausgefüllt. So bekommt der Teufel eine Handvoll Begleiter, die um ihn kriechen und springen. Im Himmel wird orientalisch getanzt und am Kaiserhof erinnern die Tänze an indische Tempel.
Die Kaiserin selbst wird mit Doppeladler in prächtiger Robe vom Himmel gelassen. Zur Unterhaltung des Publikums werden Ihr die Beine abmontiert, um die Schuhe zu übergeben. Zwei Seiltänzerinnen versprühen Zirkusathmosphäre. In Summe passt aber alles und die schwerfälligen Szenen erhalten eine unterhaltsame Politur soweit möglich.
Einfallsreich sind auch die Kostüme von Klaus Bruns.
Mit einem russischen Sängerensemble wird weiters ein Originalklang und hohe Präzision gesichert. Den ehrenhaft verliebten Schmied gibt überzeugend Sergey Skorokhodov. Statthaft und sympathisch mimt er dessen Verzweiflung und hoffnungsvolles Treiben. Kräftig und warm timbriert trägt er seine Arien mit Schmelz und kultivierter Legatokultur vor. Als Held im weißen Anzug gestaltet er strahlend den Epilog als Ode an den Dichter Gogol.
Elena Tsallagova ist die kecke freche Göre Oksana, die mit den Gefühlen ihres Verehrers spielt um ihren Freundinnen zu gefallen. Zur Vernunft zurück gekehrt ist sie eine gefühlvoll Liebende. Ihr Gesang ist jugendlich rein, hell und fein geführt. Tansel Akzeybek ist ein markiger Teufel mit Spielfreude. Seine Baritonstimme lässt sich gut färben und kann durchdringen. Die Hexe Solicha ist bei Ekaterina Semenchuk gut aufgehoben. Sie verinnerlicht die prägenden Gesten wie ein freches Zurechtrücken des überdimensionierten Busen oder Beckens. Sergei Leiferkus als Dorfstrher und Dmitry Ulyanov als Gevater Tschub sind prominent besetzte Nebenrollen und beeindrucken mit ihren kräftigen Stimmen.
Als Zarin gibt es ein Wiedersehen mt Violeta Urmana, die vom Himmel schwebend eine sehr menschliche Herrscherin präsentiert.
Große Begeisterung im Haus, nachdem das Werk nach der Pause deutlich an Fahrt aufnimmt und das Publikum aufgeweckt mitnimmt. Ob sich dss sperrige Werk mit ein paar Längen in den Spielplänren finden wird, wird sich zeigen.
Dr. Helmut Pitsch
11. Dezember 2025 | Drucken
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