Ricciardo e Zoraide - Leblose Regie mit Starparade zur Eröffnung der Rossini Festspiele Pesaro

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Ricciardo und Zoraide zählt zu den zahlreichen vergessenen Werken Gioachino Rossini, dessen 150. Todestag dieses Jahr besonders vom Rossini Festival in seiner Geburtsstadt geehrt wird. 1818 wurde die Oper in Neapel uraufgeführt. Das Handlungschema fusst auf dem häufigen Konfliktschema zwischen der Heldin, ihrem Vater und dessen Widersacher sowie ihrem Geliebten. Hier gerät Zoraide, die Tochter Ircanos, in die Hand dessen Widersachers, des nubischen Königs Arogante. Dieser begehrt die Hochzeit mit ihr. Ihr Geliebter Ricciardo versucht mit Hilfe des Botschafters der Kreuzritter, Ernesto, Zoraide zu befreien. Die eifersüchtige Ehefrau Arogantes, Zomira, zettelt auch ihre Intrige an. Nur durch die siegreiche Schlacht der Kreuzritter unter Führung Ernestos kann die Hinrichtung des Liebespaares am Ende verhindert werden. Musikalisch ist die Komposition eine Aneinanderreihung von Szenen aus Rezitativen und Arien, die nur schwer zu einer Gesamtheit führen. Wie immer erkennt man verschiedene Motive aus anderen Werken des Meisters. Eine ausladende Ouvertüre bringt uns an den Hof des nubischen Königs. Gerard Gauci schafft auf der Bühne der schmucklosen Adriatic Arena, einer Mehrzweckhalle, die über 1000 Personen Platz bietet, ein farbenfrohes aber wenig aussagekräftiges Bühnenbild.

Ein übergrosses Zelt auf den Bühnenhintergrund gemalt wechselt mit einem mittelalterlich gestalteten Innenhof, dessen Arkaden zwischendurch den Blick auf das Meer freigeben. Die Kostüme von Michael Gianfrancesco sind farbenfroh und edel, aber ebenso einfallslos. Die Regie stammt vom Australier Marshall Pynkoski, der sich einen Ruf für seine Interpretationen von barocken Opern und Ballettaufführungen erworben hat. So füllt er mit Ballett auch hier langgedehnte Szenen, versäumt es aber jedwede Personenregie einzubauen. Zumeist wird statisch am Bühnenrand oder auf der das Orchester umgebenen Rampe gestanden. Die wenigen Duette erlangen durch Gestik keine szenische Unterstützung. So fühlt man sich sehr der barocken Aufführungspraxis ausgesetzt, die auf die gesangliche Wirkung der Primadonnen ausgerichtet war.

Die Südafrikanerin Pretty Yende hat zahlreiche Preise gewonnen und tritt auf allen grossen Bühnen auf. Zu Beginn verhalten lässt sie im Laufe des Abends die Breite und Vielfalt ihres Sopran als Zoraide erkennen. Sprünge in die Spitzentöne trifft sie sicher, wirbelt aufmerksam und klar intonierend in den anspruchsvollen Tonläufen und Koloraturen. Unmerklich setzt sie ihre Kraft ein. Wie aus einem Guss sind ihre silbrig hell bis in schwindelnde Höhen oder satte Tiefen gestalteten Rezitative und Arien. Sie bemüht sich Melodiebögen breit anzulegen und auch mit Volumen zu füllen. Dies gelingt dem Belcanto erfahrenen Spezialisten Juan Diego Florez. Er ist der seit Jahren gefeierte Star der Festspiele, denen er seit seiner Entdeckung hier 1996 eng verbunden ist. Stimmlich färbt sich sein Tenor fortschreitend dunkler ein, bleibt aber in allen Lagen satt und rund. Seine Spitzentöne schiessen unverändert sicher heraus, geschmeidig gelingen seine Koloraturen. Schade, dass er seine emotionalen Gefühle zuwenig in die Gestaltung der Arien und Duette in dieser Inszenierung legen darf. Sergey Romanovsky überzeugt nicht als furchterregender Arogante. Belegt und gepresst wirkt da immer wieder sein Gesang. Seine grosse Arie meistert er fehlerfrei aber ohne belcantesce Regung. Die Aufmerksamkeit zieht Xabier Anduaga vom ersten Ton auf sich. Der Baske überzeugt als Ernesto mit seiner kraftvollen hellen Tenorstimme. Selbstbewusst stellt der junge Sänger sich den Stars gegenüber und behauptet sich. Lyrisch liedhaft gestaltet er seine Auftritte, und liegt in der Lautstärke über seinen Kollegen. Im Orchestergraben schafft es auch Giacomo Sagripanti nicht, der Handlung und dem Bühnengeschehen Spannung und Einheit zu verleihen. Chor und Orchester sind bestens vorbereitet und einstudiert, Rossinis schwungvolle Rhythmen und akzentuierte Melodien verschwimmen. So bleibt es eine Perlenkette von Einzelszenen als Demonstration gesanglichen Vermögens der hochwertigen Besetzung. Das Werk kann so auch wiederum nicht überzeugen und seinen Platz auf den Bühnen beanspruchen. Das Publikum feiert seine geliebten Stars und überschüttet zurecht das Regieteam mit Buhs der Ablehnung.

Helmut Pitsch

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