Riccardo Muti dirigiert nach 30 Jahren wieder Norma - ein musikalisches Ereignis

Xl_a49877ac-a384-410c-84f5-7998850e9e73 © Zani_Casadio

Vincenzo Bellini Norma Teatro Alighieri Ravenna 16.12.2023  

Riccardo Muti dirigiert nach 30 Jahren wieder Norma - ein musikalisches Ereignis

Kurz vor Weihnachten drängt es Opern - Afficionados nach Italien. Neben den alljährlichen Saisoneröffnung an den großen Opernhäusern in Mailand, Rom oder Neapel lockt dieses Jahr besonders das schmucke Teatro Alighieri in Ravenna mit einem besonderen musikalischen Genuss. Riccardo Muti, in Ravenna ansässig, ruft zu einer Trilogie nach seiner Definition, bestehend aus großer italienischer Oper, (Norma und Nabucco ), Maestro und Orchester sowie ein Theater als architektonisches Juwel.

1994 hat der Dirigent letztmalig Vincenzo Bellinis großen Erfolg, die 1831 an der Scala uraufgeführte Oper Norma, dirigiert. Wie er selbst in einem Interview im Programmheft erläutert, hat sich seine Sichtweise auf dieses Werk, insbesondere den kompositorischen Willen, Orchestrierung und Besetzung in nahezu 30 Jahren wesentlich geändert. Dazu ist der Maestro auch ein Verfechter werktreuer und ästhetischer Inszenierungen. So wurde für die Opernabende eine semi konzertante Inszenierung bestehend aus einer technisch perfekten Bild- und Videopräsentation mit ansprechenden Bildern gewählt, die intelligent den Handlungsinhalt visuell darstellen bzw begleiten. Diese werden auf die Bühnenwände projiziert. Unter dem Künstlernamen Svccy lassen der Bildkünstler Matteo Succi digitale Kollagen und 3D Grafiken zusammen mit dem Visual Programmierer Davide Broccoli und die Lichtdesignerin Eva Bruno mit hoher Auflösung entstehen. Klassische Kopfskulpturen und Säulenhallen, Treppenaufbauten und immer wieder Bäume und der monumentale Gong in Form eines übergroßen Schildes fiessen ineinander.

An beiden Seiten des Orchestra Giovanile Luigi Cherubini nehmen die Solisten Platz, der bis zu 80 Mitwirkende umfassende Chor des Teatro Municupale di Piacenza sitzt hinter dem Orchester in 4 Reihen aufgereiht. So darf der Besucher erwartungsvoll die Ernsthaftigkeit der Tragödie mit der Lyrik des Belcanto verbunden in musikalischer Intensität erwarten. Es ist Muti wichtig, dass die berührenden Gefühle aus der Melodie erwachsen. Außerordentlich intensiv, in kräftigem Volumen und klarer Abgrenzung der einzelnen Motive erklingt die Ouvertüre. Riccardo Muti führt klar und in strenger Haltung das bestens vorbereitete und sehr aufmerksame Orchester. Der Name des 2004 von ihm gegründete Orchesters soll die Berufung widerspiegeln. Eine Italienische Identität (Cherubini als großer italienischer Komponist) mit europäischen Vision in Musik und Kultur sowie eine Förderung junger Musiker (Giovanile), deren Zugehörigkeit mit dem 30. Lebensjahr endet. Subtil bleibt das Dirigat, Solisten wie Chor werden eifrig bedacht, aber genauso gegenüber einem voll aufspielenden Orchestra gefordert. So wird es dramatisch, der Konflikt zwischen der Titelheldin, ihrem Geliebten und der Widersacherin wird ebenso herausgearbeitet wie die innere Zerissenheit und Verzweiflung der hohen Priesterin. Ebenso wechselt es wieder zu lyrischem Belcanto mit sanfter samtener Unterlegung, zarten Piani und rührender Melodik.

Anfang Dezember wurde der 100. Geburtstag von Maria Callas gefeiert. Norma war eine ihrer bedeutendsten Rollen und deshalb immer wieder zu hören. Im Erscheinungsbild als auch in der Gestik scheint sich Monica Conesa an die Primadonna zu orientieren. Stimmlich überrascht sie mit einer außerordentlich dunkel gefärbten Stimme, trocken und hart erreicht sie zum Teil schrille metallene Höhen. Die Intonation der Spitzentöne ist beeindruckend und scheint nach oben keine Grenzen zu kennen. Innig wirkt sie im Duett mit ihrer Konkurrentin, hoheitsvoll ohne Reue nimmt sie ihre Opferrolle an. Fein artikuliert spannt sie weite Melodiebögen ziert Koloraturen mit sicherer Technik, in Rezitativen unterlegt sie flexibel Farben. Paola Gardina springt kurzfristig für Eugenie Joneau als Adalgisa ein. Ihrer Stimme haftet ein leichtes Vibrato an, die Jungendhaftigkeit der Rolle einschränkend. Dafür schafft sie lyrische Momente der Reue und Unsicherheit, wie auch Spannung in Verzweiflung und Zuneigung. Klodjan Kacini verfügt über einen leichten wie auch samten vollen Tenor. Seinen Pollione weiss er wohl in der Dreiecksgeschichte zu positionieren. Edel lyrisch klingen seine Arien, in den Duetten fügt er sich gut gegenüber den starken Sängerinnen ein. Wie notwendig schafft er Dramatik in der Diktion und gefühlvollen Legati. Vittorio De Campo ist ein stolzer gutmütiger Oroveso, mehr Vater als kriegerischer Herrführer. Clotilde wird durch die junge Vittoria Magnarello zu einer ruhigen demütigen Dienerin. Der Flavio von Riccardo Rados ist heldenhaft kämpferisch angelegt. Immer präsent, durchdringend kraftvoll wie zurückhaltend fragend ist der Coro del Teatro Municupale di Piacenza, Corrado Casati Einstudierung, mitentscheidend für den bestens gelungenen Abend.

Großer Beifall für alle Beteiligten, Jubel für den sichtlich zufriedenen gut gelaunten Maestro.

Dr. Helmut Pitsch

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