Rheingold im Bayreuther Ring - Geschickt gestaltetes Familiendrama a la Netflix von Sagen entrümpelt

Xl_rg_040723_360_enriconawrath_press__002_ © Enrico Nawrath

Richard Wagner Das Rheingold Bayreuther Festspiele 21.8.2023

Rheingold im Bayreuther Ring - Geschickt gestaltetes Familiendrama a la Netflix von Sagen entrümpelt

Viel wurde bereits letztes Jahr zu den Premieren des neuen Ring des Nibelungen in der Regie von Valentin Schwarz bei den Bayreuther Festspielen geschrieben. Sehr unterschiedlich waren die Reaktionen, die Meinungen polarisiert. Auch am Ende der diesjährigen dritten Aufführung des ersten Abends des Zyklus Das Rheingold stehen sich konträre Publikumsmeinungen gegenüber wobei die Begeisterung die Oberhand gewinnt.

Soviel kann vorab gesagt werden, dass diese Ringinszenierung konsequent und schlüssig ein durchaus diskussionswürdes Konzept des Regisseur umsetzt und widergibt. Ästethisch ansprechend spielt die Handlung in einem eleganten modernen Haushalt in der aufwendigen Bühnengestaltung von Andrea Cozzi. Schwarz verzichtet auf jegliche göttlichen Insignien, er entrümpelt die Symbolträchtige  Bildsprache Wagners. Der Rhein mutiert zum Swimming Pool, das Rheingold zum unfolgsamen Bengel mit Baseballmütze (dies der spätere Hagen), der auch für Tarnhelm und den verfluchten Ring miß-/gebraucht wird. Kinder werden in dem Konzept zentral. Kinder sind der eigentliche Schatz der Generation, ein Instrument der Machr und des Machterhalts. Sie werden zur wertvollen Ware und gehandelt. Konflikte werden so weitergegeben, folgende Generationen belastet. Brandaktuell ist dieses Thema unter dem Schlagwort Generationengerechtigkeit gerade in den letzten Monaten der Protestaktionen der "Letzten Generation" geworden. Leicht anrüchig kann der Umgang mit den Kindern auf der Bühne gesehen werden - vielleicht auch in der Kritik des Regisseur an der Gesellschaft beabsichtigt.

Nibelheim ist ein Glaspavillion, in dem Alberich Kinder wie Gefangene haltet, Mime mittendrin mit Ihnen als Aufpasser oder auch Erzieher.  Alberich wird ohne große Szenerie der mystischen Verwandlungen von Wotan und Loge gefangen. Die Riesen fahren im modernen SUV in der Garage von Wotans moderner Villa vor, Freias Freiheit wird mit einem Mädchen und dem Goldjungen erkauft. Verwirrend ist die Rolle der Erda. Sie ist bereits den gesamten zweiten Aufzug über im Wohnzimmer anwesend und verfolgt als Wissende das Geschehen. Nach ihrer Botschaft an Wotan nimmt sie das Mädchen, das zuvor als Lösegeld übergeben wurde mit. Den Riesen bleibt der Goldjunge mit Baseballmütze alias Hagen. Brutal schlägt Fafner Fasolt mit einem Schlagring nieder. Walhall wird nicht bezogen, eine weiss leuchtende Pyramide im Guckkasten ist stellvertretend für den Einzug.

Die Andersartigkeit dueser Inszenierung lebt von einem Verfremdungseffekt, der im Stil von aktuellen Netflix Telenovelas die Handlung zu einer kapitalistischen dekadenten Familiensaga um Macht, Einfluss und Geld macht.  Durchgestylt ist das Set, und Schwarz versteht den Bühnenraum zu nutzen. Seine Personenregie liefert ständig Aktion, ohne zu verfrachten und vom Wesentlichen abzulenken. Er baut Spannung auf und kann unterhalten. Dabei verliert er nicht den Bezug zum Text und der eigentlichen Handlung. Es ist kein Regietheater, das provozieren will oder eine politische Aussage tätigt. Nein er zeigt professionelles Handwerk.

Musikalisch liefert Pietari Inkinen keine weiteren Überraschungen, Er führt elegant und unprätentiös das Orchester, hält sich im Hintergrund bei dem Geschehen auf der Bühne. Interessant schafft er es einen Spannungsbogen aufzubauen ohne zu sehr die Musik Höhepunkten zuzuführen. Es fliesst und reisst mit.

Tomasz Koniencny zeichnet sich wieder als energiegeladener ausdrucksstarker Wotan aus, der mit sichtlicher Freude die ausgeprägte Rollenzeichnung umsetzt. Stimmlich haltet er Geschick Haus, bleibt sehr verständlich und auch in der Tiefe nuanciert. Olafur Sigudarson ist ein ebenso kraftvoller Alberich, der hier nicht zu sehr zum Bösewicht mutiert.  Arnold Bezuyen ist kein gedrückter Mime sondern ein ungepflegter Sonderling mit herzhafter Stimme.

Jens Erik Aasbo als Fasolt und Tobias Kehrer als Fafner begeistern als distingiert strotzende Riesen, die mit ihren beeindruckenden Stimmen Größe vermtteln.

Loge wird hier sehr menschlich und ernsthaft von Daniel Kirch geprägt. Er weiß die Fäden zu ziehen, ohne überheblich zu werden. Okka von der Damerau wirkt statisch raumfüllend. Getragen nahezu monumental mutet ihr klarer wortverständlicher Monolog. Christa Mayer als Fricka und Hailey Clark als Freia bleiben im hektischen Geschehen farblos.  

Evelin Novak Stephanie Houtzeel, und Simone Schröder sind drei wohl abgestimmte Rheintöchter.

Viel Beifall und Begeisterung für die Künstler, die ersten Buhs zur Regie verstimmen.

Dr. Helmut Pitsch 

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