Purcell/ Schönberg Ein dystopischer Doppelabend in München

Xl_5ecc59ea-27d5-415f-ab0e-fdd492675ee8 © Winfried Hösl

Henry Purcell Dido and Aeneas/ Arnold Schönberg Erwartung Opernfestspiele Bayerische Staatsoper 16.7.2025

Purcell/ Schönberg Ein dystopischer Doppelabend in München

Die Bayerische Staatsoper wagt mit dem polnischen Regisseur Krzysztof Warlikowski (Premiere Jannuar 2023) einen musikalischen und szenischen Spagat. Sie verbinden die Barockoper Dido and Aeneas von Henry Purcell mit dem Einakter Erwartung von Arnold Schönberg. Nichts verbindet die beiden Werke inhaltlich, Warlikowski stülpt über beide ein nicht immer nachvollziehbares Konzept, indem er den zeitlichen Horizont der Barockoper im Tod der Heldin um eine metaphysische Ebene erweitert und Dido als eine Frau in Schönbergs Werk zurückkehrt. Hierzu werden die beiden Sängerinnen der Rollen von der Maske und Kleidung identisch gemacht, in der Premiere wurden die Rollen zusätzlich von einer Sängerin gesungen.

Soweit so gut und eine interessante Idee, die in Summe auch spannend aufgeht. Dabei fließen aber auch weitere kreative Gedanken des Polen ein, die das anspruchsvolle Setting verfrachten. Zu Beginn schneit es kräftig in Karthago, ein moderner Bungalow auf Stelzen steht im Wald. Bühnenbild Malgorzata Szczesniak. Die Gesellschaft um Dido trifft sich in bunten schrillen Kostümen wie von einer Pride Parade kommend. Ein Liebespaar Dido und Aeneas kommt nicht wirklich vor. Eine Handlung kommt in der Spassgesellschaft nicht zustande. Die Personen sind so im Charakter verfremdet gezeichnet. Über der Bühne wird zusätzlich das Geschehen im Haus auf eine Leinwand projiziert. Dido wird zu ihrer berühmten Abschiedsarie in einen roten Schlafsack wie eine Mumie verpackt. Gestalterisch wird ihr Gang ins Jenseits oder wohin auch immer zu einem ausgewachsenen Zwischenspiel zu dem der Pole Pawel Mykietin eine techno Musik, vom Band abgespielt, komponiert hat. Dazu gibt es eine akrobatische eindrucksvolle Breakdance Nummer, von Mitgliedern des Bayerischen Staatsballetts perfekt performt in der Choreographie von Claude Bardouil. Auf der Leinwand und im Bühnenhintergrund findet sich eine Videoinstallation, ein Tunnelblick in dem der Zuschauer immer weiter in die Tiefe geführt wird, mit farbigen Effekten begleitet.

Die heissen Rhythmen scheinen Dido wieder zu Leben erweckt oder transformiert zu haben. Sie steht auf, kehrt ins Haus zurück und erschiesst Aeneas und Belinda. Eine freie Interpretation des Regisseur zur Überleitung in das Werk Schönbergs. Woher der Text und die Idee für das Werk stammt ist nicht gesichert, er demonstriert eine innere Katastrophe in einer filigranen Phantasiewelt, musikalisch in höchster Expressivität umgesetzt. Der Monolog kann inhaltlich als Spiegelung der Beziehung Didos zu Aeneas gedeutet werden und so zur gedanklichen Brücke der beiden Werke verstanden werden. So ist die Frau auch das Abbild Didos und am Ende sitzen auch Aeneas und Belinda am Tisch mit ihr.

Ein breiter Bogen läuft in dieser Inszenierung vor den Augen der Zuschauer ab, der in der Vielfalt und Summe der Eindrücke verdaut werden muss. Für die Sänger ist es schwer, ihren Rollen ein Profil zu geben und gefühlvolle Interpretation zu liefern. Auch ein Star wie Sonya Yoncheva kann erst in ihrer Schlussarie zünden, zuvor bleibt ihr Sopran farblos und zu wenig akzentuiert. Günter Papendell ist ein sicherer Arneas, der nicht allzuviel zu singen hat. Erika Balkoff meistert ihre Arie der Belinda solide. Durchdringen kann an diesem Abend nur Sara Jakubiak als die Frau alias Dido in Schönbergs Oper. Wortverständlich mit fein ausgearbeiteten Nuancen wandelt sie traumwandlerisch auf der Bühne und in in ihren Gedanken herum, wird von Emotionen gerüttelt. Ihr Sopran hat Spannkraft und auch Leichtigkeit im Lagen- und Farbwechsel, bleibt dabei dramatisch ohne Schärfe.

Das Bayerische Staatsorchester und auch der Chor der Staatsoper, im Graben postiert wird von Valentin Uryupin geleitet. Zeigt er im Barock noch unklare Deutungen und Differenzen im Zusammenwirken mit dem Orchester bringt er bei Schönberg die volle Kraft und Stärke des Orchesters zu klingen. Akurat wird die Partitur mit den zahlreichen Stimmungs- und Tempiwechsel umgesetzt, nuanciert wird mit dem Volumen und Instrumentengruppen gearbeitet, um die Farben und Mystik auszudrücken.

Großer Beifall im gut besuchten Haus, auch wenn einige vorzeitig aufgebrochen sind .

Dr. Helmut Pitsch

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