Programmbreite und musikalisch hohe Qualität prägen die Salzburger Pfingstfestspiele 2019

Xl_img_1239 © Salzburger Festspiele Monika Rittershaus
1868 - Zeitbrüche sind die diesjährigen Pfingstfestspiele Salzburg tituliert und in einem zeitgeschichtlichen und musikwissenschaftlichen Prolog werden die Ereignisse dieses Jahres herausgearbeitet. Es ist das Todesjahr Gioachino Rossinis und Europa steckt mitten im Wandel der politischen und sozialen Systeme sowie am Beginn der Industrialisierung. Auch in der Musik passiert vieles um dieses Jahr. Geschickt ausgewählt fügt sich das Programm der Festspiele als hörbarer und sichtbarer Beweis unter diese Überschrift und Leitlinie. Bestimmt durch Komponisten wie Richard Wagner und Anton Bruckner, Johannes Brahms oder Peter Iljitsch Tschaikowski erfolgen wesentliche, wenn nicht epochale Umwälzungen. In Orchesterkonzerten werden deren Werke gegenüberstellt, um die Aussagen des Prologs zu bestätigen und die Vielfalt des musikalischen Geschehens dieser Zeit zu dokumentieren. Anton Bruckner und Johannes Brahms haben in diesem Jahr bedeutende Kompositionen dem Publikum vorgestellt. Der Erste seine a capella Motette Pange lingua et Tantum ergo, der Zweite sein deutsches Requiem, hier in der Fassung für Soli, Chor und Klavier zu vier Händen. Im grossen Saal des Mozarteums werden diese beiden Chorwerke vom Chor des Bayerischen Rundfunks - Einstudierung Howard Arman - unter der Leitung von Jeremie Rohrer anschaulich gegenübergestellt. Der Reichtum der menschlichen Stimme als Instrument kommt hier meisterhaft zur Geltung. Bruckners Werk steckt tief im kontrapunktischen Kompositionsstil, in der Überlagerung und kanonartigen Zusammensetzung der Stimmen, streng in der Harmonielehre verankert. Die Kraft seiner tiefen Religiosität ist spürbar. Brahms öffnet der empfindsamen Gefühlswelt der Romantik auch in diesem geistlichen Werk die Pforten. Selbst tiefgläubiger Protestant, der die altbiblischen Schriften studierte, wählte er seine Text selbst aus und schuf ein Werk für den Menschen. Der Chor wird hier von Markus Hinterhäuser und Pierre Laurent Aimard an den Klavieren begleitet. Es gibt ein Wiederhören mit der unvergleichlichen Stimme Genia Kühmeiers und Andre Schuen als Solisten. Die Prägung der beiden Werke wird in der Darstellung transparent. Aus einem Guss sind Intonation und Einsatz im Chor, Ausdrucksform und Aussprache. Wohltuend der Gleichklang der Vokale und Fermati. Die Klaviere schaffen ein breites feierliches Fundament, ständig präsent ohne in die Dominanz zu streben. Weit ist der Bogen nach diesem Konzert zur Abendveranstaltung musikalisch gespannt. Im Jahr 1868 erlebte Jacques Offenbach s Opera bouffe La Périchole ihre Uraufführung. Jacques Offenbach, 1833 in Deutschland geboren, wird in Frankreich ein erfolgreicher Komponist und zum Schöpfer des neuen Genres, der opera bouffe oder auch Operette genannt. Einfache, rührselige Genrebilder werden mit einprägsamer leichtgängiger Musik vertont und zu Kassenschlagern. Abgesehen von dem Uraufführungsjahr 1868, welches dem Motto der Festspiele entspricht, findet sich wenig Bezug zu dem sonst gezeigten Anspruch in Salzburg. Die Aufführung ist konzertant angesetzt, wird aber in dem Bühnenbild der erfolgreichen Neuproduktion der Festspiele, Gioachino Rossinis L'Italiana in Algeri gezeigt. Zum Glück sind die Solisten angehalten auch darstellerisch mitzuspielen, sodass die semi konzertante Aufführung durch deren schwungvolle Spielfreude zu einem unterhaltsamen Spektakel mit hohem musikalischem Niveau wird und dem einfach gestrickten trivialem Werk ein grosser Publikumserfolg beschieden ist. Viel trägt dazu Marc Minkowski mit seinen Musicien de Louvre bei. Er kitzelt aus der Partitur jede Kleinigkeit heraus, hält die Musiker zu ungeahnter Leichtigkeit im Spiel an. Luftig transparent und frisch, immer wie durch eine unsichtbare Brise in Bewegung gehalten, fühlt sich der Klang an. Das durchgängig mit Franzosen zusammengesetzte Sängerensemble, begleitet vom Chor der Opera National de Bordeaux gewährleistet souveränen Umgang mit dem französischen Libretto. Aude Extremo und Benjamin Bernheim prägen mit perfektem Gesang und engagiertem Spiel la Perichole und ihren Geliebten Piquillo. Um deren prekäre wirtschaftlichen Verhältnisse als Strassensänger in Lima, Peru zu verbessern lässt sich la Perichole vom Vizekönig Don Andres zu dessen Maitresse machen. Um die Vorschriften des höfischen Lebens einzuhalten, wird nun ein Ehemann für die Auserwählte gesucht und die Wahl trifft zufällig den verlassenen Geliebten Piquillo, der total betrunken aus Selbstmitleid über den Verlust der Geliebten unwissend einwilligt. Wie immer im Genre der opera bouffe finden die Liebespaare nach ein paar Irrungen glücklich zusammen und der Vizekönig vermacht zum Glück der Beiden ihnen auch noch ein paar Reichtümer. Schmissig, spritzig verlauft die Aufführung, Reichtümer verschenken an diesem Abend die Sänger, Aude Extremo brilliert mit einem bemerkenswert leichtgängigen Gesang in der tiefen Mezzolage, Benjamin Bernheim zeigt lyrische Grösse bis in den Spitzenton. Das Publikum zeigt am Ende gut unterhalten viel Anerkennung und spendet generös Beifall. | Drucken

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