Premiere in Zürich Simon Boccanegra - statisch mit Abstand auf der Bühne große Gefühle im Graben

Xl_simon_boccanegra_140_c_monikarittershaus © Monika Rittershaus

Auch das Opernhaus Zürich gestaltet eine Premiere ohne Publikum. Hausherr Andreas Homoki inszeniert Giuseppe Verdi Simon Boccanegra neu. Das Werk beschäftigte Giuseppe Verdi über viele Jahre und komponierte es nahezu zweimal. Musikalisch gehört es somit zur letzten Schaffensphase und steht für den reifen spätromantischen Stil des großen italienischen Opernkomponisten.

Christian Schmidt schuf das Bühnenbild für die rührselige Geschichte um die verbotene Liebe des Korsaren Simon Boccanegra, der zwar Doge von Genua wird aber sowohl seine Geliebte als auch die gemeinsame Tochter - vermeintlich- verliert. So ist die Handlung zeitlich weit gespannt, spielt aber in einem nüchternen hellen architektonischen Rahmen, viele Türen öffnen und schließen sich, Räume entstehen durch die Drehbühne neu, mal drinnen mal draußen. Die Kameraführung zeigt ihre Schwierigkeiten die richtige Einstellung und Ausleuchtung zu finden. Trotz aller Türen klettert Adorno durchs Fenster zu seiner Geliebten Amelia, im Streifenanzug mit Hut wie ein Mafioso. Farbe und Stil der Kostüme sprechen für eine sehr konservative italienische Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Personenregie gibt es wenig Nähe und Intimität zwischen den Protagonisten. Vielleicht ist dies auch Corona geschuldet, verhindert aber dramatische Momente. Als besonderer Regieeinfall mint ein kleines Mädchen die Rückblicke in der Handlung. Etwas verloren findet sich dabei ein weißes Ruderboot mitten im großzügigen Palast der Grimaldi, um das sich Amelia und Simon in der Erkennungsszene ungeschickt herumlaufen und stehen, ohne sich am Ende zu umarmen obwohl das Libretto es vorsieht. Die Einstellung kehrt im Schlussbild zurück, in dem Simon mit den lebendigen Geistern seiner Geliebten und seiner kleinen Tochter an der Hand durch eine Tür von der Bühne ins Jenseits tritt.

Überzeugend und stimmlich prägen den Abend die beiden vom Schicksal gestraften Kontrahenten. Christof Fischesser zeigt erstmals als Fiesco einen samtenen weich aber trotzdem durchdringenden Bass. Christian Gerhaher in seinem Rollendebüt als Simon spielt seine Qualitäten als Liedsänger mit einem melodiösen breit angesetzten Gesangsstil aus. Dazu ermöglicht ihm seine Stimme nuancenreich und farbenfroh Herrscher als auch liebender Vater zu sein.

Jennifer Rowley muss in unvorteilhaften Kleidern das folgsame junge Mädchen mimen, die zu ihrer geheimen Liebe zu Adorno steht, auch als er sich als Feind des Vaters entpuppt. Ganz gelingt ihr dieses Rollenbild nicht, die Stimme klingt auch sehr reif mit schöner sicherer Höhe. Auch für sie ist der Abend ein Rollendebüt.

Otar Jorjikia ist ein stürmischer Tenor der kraftvoll als Gabriele Adorno überzeugen möchte aber sich in die Höhe stemmt und unsauber intoniert. Nicholas Brownlee vermittelt dem verräterischen Paolo viele dunkle verschlagene Seiten.

Die außergewöhnlich technische Besonderheit dieser Aufführung ist auch die räumliche Distanz von Orchester und Chor, die einen Kilometer entfernt von der Bühne des Opernhauses in den Proberäumen spielen und singen. Über modernste Leitungen wird in das Opernhaus eingespielt bzw übertragen. Fabio Luisi am Pult ist so für die Sänger nur über Monitor sichtbar. Für den Fernsehzuschauer ist dieser Corona Kunstgriff nicht spür- oder hörbar, da ja sowohl Bild und Ton aufgenommen und übertragen werden. Musikalisch zeigt Fabio Luisi seine Nähe und Erfahrung zur Musik Verdis. Er lässt es auch mal richtig laut und dramatisch werden. Genauso abgestimmt gestaltet er die feinen Töne für die Intimen Liebesduette, welche die Stimmen weich umschmeicheln. Die Musik wirkt sehr präsent und gleicht fehlende Personenregie lückenlos aus. Viel Applaus aus den leeren Zuschauerreihen von den wenig Beteiligten der Übertragung auf ARTE.

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